Im Luschniki droht ein Gijón

Tun sie nichts, kommen Frankreich und Dänemark weiter. Australien fiele dem zum Opfer

  • Maik Rosner
  • Lesedauer: 3 Min.

In den meisten WM-Gruppen wird der Kampf ums Achtelfinale zum Rechenspiel. Australien könnte dabei zum Opfer eines französisch-dänischen Nichtangriffspakts werden.

Von Maik Rosner, Moskau

Das Kalkulieren hat begonnen. In der WM-Gruppe A stand schon vor dem abschließenden dritten Spieltag fest, dass Gastgeber Russland und Uruguay ins Achtelfinale einziehen, nur die Plätze eins und zwei galt es am Montagnachmittag noch auszuspielen. Auch in der Gruppe B lagen mit den Spaniern und Portugiesen vor dem Montagabend (nach Redaktionsschluss) die Favoriten schon vorn.

Doch spätestens an diesem Dienstag, wenn aus mehreren Bewerbern in den Gruppen C (Dänemark oder Australien) und D (Nigeria, Island, Argentinien) noch je ein weiterer Achtelfinalist ermittelt wird, könnte es sehr knifflig werden. In den Staffeln E und H sieht das ganz ähnlich aus. In der deutschen Gruppe F können sogar noch alle vier Teams weiterkommen - und alle vier auch noch ausscheiden.

In der Reihenfolge Punkte, Tore, direkter Vergleich und Fairplay-Wertung werden die Entscheidungen in den einzelnen Staffeln fallen. Zur Not muss bei komplettem Gleichstand nach allen mathematischen Instanzen das Los entscheiden. Begleitet werden diese Rechenspiele im laufenden Betrieb von Standleitungen in andere Stadien zu den jeweiligen Parallelspielen, sodass zur Not noch kurzfristig auf Änderungen der Spielstände reagiert werden kann.

Nur in einer Partie wissen die Beteiligten schon jetzt, wie sie die Dinge in ihrem Sinne steuern können: Sie müssten einfach gar nichts tun und wären dennoch sicher im Achtelfinale. In der Gruppe C treten an diesem Dienstagnachmittag die bereits vorzeitig qualifizierten Franzosen gegen die Mannschaft aus Dänemark an. Für Frankreich geht es nur noch um das zur Not vernachlässigbare Ziel Gruppensieg, dann würde man aller Voraussicht nach den bisher so starken Kroaten in der nächsten Runde aus dem Weg gehen. Dänemark, aktuell Tabellenzweiter der Gruppe C, benötigt hingegen noch einen Punkt, um sicher zu den 16 besten Mannschaften der WM zu zählen und damit sein erklärtes Turnierziel zu erfüllen.

Die gute Nachricht aus Sicht beider Teams ist, dass sie nach gemeinsamer Verabredung im Moskauer Luschniki-Stadion ihre Ziele lässig erreichen können. Sie müssten dafür nur zum Dienst antreten, den Ball ein wenig gefahrlos hin- und herkicken und sich auf ein Remis einigen, durch das jeder den nötigen Punkt sicher hätte. Der ehemalige Bremer und künftige Dortmunder Profi Thomas Delaney ließ bereits anklingen, dass er mit dem zweiten Platz gut leben könnte. »Wenn uns das vorher einer gesagt hätte, wir hätten es angenommen«, sagt Dänemarks Mittelfeldspieler.

Das ist zugleich die schlechte Nachricht für die Australier. Sie müssen fürchten, spätestens im Verlauf eines knappen Spiels zwischen Frankreich und Dänemark Opfer eines Paktes zu werden, der in verschärfter Form vor exakt 36 Jahren und einem Tag als Schande von Gijón als dunkles Kapitel in die WM-Geschichte eingegangen ist. Am 25. Juni 1982 standen sich Deutschland und Österreich in Spanien gegenüber und schoben sich die Bälle beim Stand von 1:0 für die DFB-Elf nur noch unmotiviert zu, weil dieses Ergebnis beiden reichte. Die Leidtragenden waren damals die Algerier, die bereits am Vortag gespielt hatten. Seither werden die letzten Gruppenspiele zeitgleich ausgetragen. Doch auch das schützt nicht vor Absprachen. Bei der WM 2010 beließen es der spätere Weltmeister Spanien und Chile in der Schlussphase bei einem 2:1, das beide weiterbrachte.

Die Australier versuchen solche Szenarien beiseite zu schieben, so ganz funktioniert das aber nicht. »Alles ging so schnell - wir wollen nicht, dass die WM schon zu Ende ist«, sagt Linksaußen Aziz Behich. »Wir hoffen, dass uns Frankreich einen Gefallen tut und diese Reise weitergeht.«

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