nd-aktuell.de / 29.06.2018 / Politik / Seite 6

Bootsflüchtlinge zurück nach Afrika

Donald Tusk schlägt beim EU-Gipfel außereuropäische Auffanglager vor

Stefan Otto

Auffangzentren in Nordafrika könnten für ein europäisches Migrationskonzept von zentraler Bedeutung werden. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug diesbezüglich vor, abgefangene Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer wieder auf afrikanisches Festland zurückzubringen. In diesen sogenannten Ausschiffungsplattformen, wie die Lager heißen, solle dann über die Schutzbedürftigkeit der Flüchtlinge entschieden werden. Unter den EU-Mitgliedstaaten gibt es möglicherweise eine große Zustimmung für diesen Vorschlag.

Der Tusk-Plan sieht - laut vorläufiger Abschlusserklärung des EU-Gipfels - eine enge Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vor, um internationale Standards bei der Versorgung der Geflüchteten zu gewähren. Beide Organisationen zeigten sich grundsätzlich zur Kooperation bereit - aus der Überzeugung heraus, dass »ein neuer, auf Zusammenarbeit basierender Ansatz« nötig sei, um die die Aufnahme von Bootsflüchtlingen »vorhersehbarer und kontrollierbarer« zu machen, wie sie am Mittwochabend in Genf erklärten.

Nötig ist das zweifellos, denn noch immer sterben viele Menschen bei dem Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Alleine in diesem Jahr habe es bereits fast tausend Tote unter den Bootsflüchtlingen gegeben, obwohl nur noch halb so viele Menschen die Mittelmeerroute zur Flucht benutzen, berichtete die IOM. 42 000 Menschen seien bislang mit dem Schiff nach Europa eingereist, sagte IOM-Generaldirektor William Lacy Swing. Im Vorjahreszeitraum seien es noch 85 000 gewesen, also mehr als doppelt so viele.

Beide Organisationen appellierten aber an die Bereitschaft der EU, mehr Plätze für die Aufnahme von Schutzsuchenden und zur Familienzusammenführung in Europa zur Verfügung zu stellen. Unklar ist es nämlich, ob es für Flüchtlinge möglich sein wird, in diesen Lagern einen Asylantrag für einen EU-Staat zu stellen.

Ungewiss ist zudem, in welchem Maghreb-Staat solche Sammelpunkte errichtet werden können. Bislang hat sich noch kein Land für eine Zusammenarbeit bereit erklärt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hofft darauf, dass einzelne EU-Länder mit guten Verbindungen zu einem infrage kommenden Land die Verhandlungen aufnehmen könnten.