• Sport
  • Stanislav Tschertschessow

PR-Projektleiter

Der russische WM-Trainer Stanislav Tschertschessow ist eine geradezu perfekte Figur, um den fröhlich-leichten WM-Sommer auszuschmücken

  • Daniel Theweleit
  • Lesedauer: 2 Min.

Gerade zwei Sätze hat der spanische TV-Reporter gesprochen, als ein Mitarbeiter der Medienabteilung des russischen Fußballverbandes mit bösem Gesicht herangeeilt kommt. »Unsere Spieler schlafen«, raunt der Russe in gebrochenem Englisch, Sicherheitsleute kommen näher. Der Reporter räumt seinen Platz im Vereinigten Sportzentrum Novogorsk.

Zwei Spieler, die gerade nicht ruhen, werden herangeschleppt: »Wir hatten eine ausgezeichnete Vorbereitung. Wir werden voll konzentriert antreten«, sagt Verteidiger Mário Fernandes. Und Torwart Andrey Lunev erklärt, dass das Team »alle Pläne verstanden« habe, die Stanislav Tschertschessow für das wichtige Achtelfinale gegen Spanien ausgetüftelt hat. Der Nationaltrainer ist auf dem Gelände die große Autorität, der Mann, der womöglich als heimlicher Gewinner aus diesem Turnier hervorgehen wird.

Der ehemalige Torhüter von Dynamo Dresden kann sehr unterhaltsam sein. Aber bei bestimmten Themen ist der Spaß vorbei. Als er jüngst darauf angesprochen wurde, dass die russische Mannschaft mehr laufe als alle anderen, was ja den kursierenden Dopingverdacht verstärkt, erwiderte er verärgert: »Ist das eine Frage zum Spiel oder ist das Philosophie?« Für ihn sei es ganz normal, dass die Mannschaft im eigenen Land hoch motiviert mehr laufe.

Gerne erzählt er von seiner Zeit beim FC Tirol, als Joachim Löw sein Trainer war. »Herr Löw hat mich geprägt«, sagt er, und der FC Bayern des Jahres 2013 unter Jupp Heynckes verkörpere sein Ideal von Fußball: »intensiv, vielfältig und doch einfach«.

Jenseits aller fachlichen Qualitäten ist der 54-Jährige eine geradezu perfekte Figur, um den fröhlich-leichten WM-Sommer auszuschmücken. »Alle Kritik hat sich in Lob verwandelt«, wird Sergej Anochin, Vizepräsident des russischen Fußballverbandes, zitiert.

Ihre vielleicht bedeutsamste Aufgabe haben Tschertschessow und seine Spieler schon längst erfüllt: Sie haben einen wichtigen Beitrag zur Entstehung bunter Jubelbilder geleistet und sind damit ein zentraler Mosaikstein im russischen PR-Projekt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal