Stahlbranche passt sich an

ThyssenKrupp und Tata gründen Gemeinschaftsunternehmen und streichen 4000 Stellen

  • Uta Knapp, Essen
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor dem Hintergrund weltweiter Stahl-Überkapazitäten schließen sich die Konkurrenten ThyssenKrupp und Tata zusammen. Nach über zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten beide am Samstag die Verträge für ein Stahl-Gemeinschaftsunternehmen. Damit ist auch der Weg frei für einen weiteren Umbau bei ThyssenKrupp. Die Strategie solle bis Mitte Juli vorgelegt werden, kündigte das Unternehmen vor Investoren in Essen an.

Entstehen soll Europas zweitgrößter Stahlkonzern nach ArcelorMittal mit rund 48 000 Mitarbeitern, einem Umsatz von über 17 Milliarden Euro und Werken in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. ThyssenKrupp wie Tata soll daran mit jeweils 50 Prozent beteiligt sein. Erwartet werden jährliche Synergien in Höhe von 400 bis 500 Millionen Euro. Der Transaktion müssen aber noch die Wettbewerbsbehörden unter anderem der EU zustimmen.

Das Gemeinschaftsunternehmen ThyssenKrupp Tata Steel B. V. soll seinen Sitz in den Niederlanden haben. »Mit dem Joint Venture sichern wir uns langfristig eine wettbewerbsfähige Position in der europäischen Stahlindustrie - mit einem überzeugenden industriellen Konzept und auf Basis einer klaren strategischen Logik«, sagte ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger. »Damit erhalten wir langfristig Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten in europäischen Schlüsselindustrien.«

Für den seit sieben Jahren an der Konzernspitze stehenden Manager könnte die Vereinbarung ein Befreiungsschlag werden. Zuletzt war er immer wieder unter Druck geraten, weil Anteilseigner mehr Tempo bei dem angekündigten Umbau des Ruhrkonzerns gefordert hatten. Insbesondere der US-Investor Paul Singer und sein Hedgefonds Elliott hatten den Konzernchef scharf attackiert. »Hiesinger sitzt jetzt wieder deutlich fester im Sattel«, stellte Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz fest. Nun werde die künftige Strategie mit Spannung erwartet.

Nach heftigen Protesten hatten zuletzt auch die Arbeitnehmervertreter Zustimmung zu dem Fusionsvorhaben signalisiert. »Ich bin froh, dass die Beschäftigten nach einer ewig langen Zeit der Unsicherheit nun wissen, wohin die Reise geht«, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der ThyssenKrupp-Stahlsparte, Tekin Nasikkol. »Wir erwarten, dass die Belegschaft mitgenommen und offen kommuniziert wird. Wir erwarten auch vom Vorstand, dass die Mitbestimmung im Joint Venture von Anfang an eingebunden wird.«

Für die Stahlarbeiter in Nordrhein-Westfalen biete die Entscheidung eine gute Zukunftsperspektive, sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck laut Mitteilung. »Das ist ein guter Tag für den Stahl in Duisburg, die Kollegen von ThyssenKrupp und ihre Familien«, betonte Oberbürgermeister Sören Link (SPD).

Die deutschen Stahlkocher hatten zuvor eine Beschäftigungsgarantie bis zum 30. September 2026 sowie eine langfristige Standortsicherung erhalten. Geplant ist aber auch der Abbau von bis zu 4000 Stellen, davon etwa die Hälfte in Deutschland.

Britische Gewerkschaften verknüpfen große Hoffnungen mit der Stahlfusion. Es sei nun mit »bedeutenden Investitionen« in Großbritannien zu rechnen, erklärte der Generalsekretär der Gewerkschaft Community, Roy Rickhuss. Vor allem im Werk Port Talbot in Wales, das jahrelang um die Zukunft gebangt habe, könne nun einer der Hochöfen repariert werden. Die mehr als 4000 Jobs seien für einige Jahre gesichert.

Roland Döhrn vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schließt jedoch Einschnitte beim Stahl auch künftig nicht aus. »Solche Fusionen sind häufig der erste Schritt für Bereinigungen«, sagte Döhrn. »Das größte Problem der Stahlindustrie ist, dass die Nachfrage durch den wirtschaftlichen Strukturwandel abnimmt.« Viele Produkte wie Autos würde immer leichter und enthielten daher weniger Stahl. Weltweit stehe die Stahlbranche in den Industrieländern vor weiteren Kapazitätsanpassungen. dpa/nd Kommentar Seite 4

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