Italiens Frauenbewegung in »Schockstarre«

Der Rechtsruck in der italienischen Politik und im politischen Klima trifft Feministinnen unvorbereitet

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

In Rom gibt es (noch) einen besonderen Ort, wo sich Frauen treffen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Das ist das »Casa internazionale delle donne«, das »Internationale Haus der Frauen«, das direkt am Tiber in einem alten Frauengefängnis untergebracht ist. Hier haben über 100 Organisationen und Vereine ihren Sitz, die sich mit den unterschiedlichsten Bereichen befassen: Gesundheit, Arbeit, Gewalt, Mutterschaft, Kultur, Migrantinnen und vieles, vieles mehr. Hier arbeiten fast alle unentgeltlich - Rechtsanwältinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, aber vor allem Frauen aus allen Bereichen der Gesellschaft, die diskutieren, helfen, Strategien ausarbeiten oder auch einfach nur Spaß haben.

Seit einem Jahr aber hat sich das Klima in der »Casa« (Haus), wie dieser besondere Ort liebevoll von vielen Frauen genannt wird, radikal verändert. Seit in Rom Virginia Raggi, Vertreterin der Fünf-Sterne-Bewegung, als Bürgermeisterin im Amt ist, muss ums Überleben gekämpft werden. Die Frauen sollen das Gebäude räumen, weil sie nicht in der Lage sind, die enorme Mieterhöhung aufzubringen, die die Stadtverwaltung verlangt, und Schulden zurückzuzahlen, über deren Höhe permanent verhandelt wird.

Seit einem Jahr wird gekämpft, finden Versammlungen statt, werden Demos organisiert und Appelle ausgearbeitet. Bisher ohne wirkliche Erfolge. Es wird vermutet, dass die Bürgermeisterin den ehrwürdigen Palazzo mit dem wunderschönen Innenhof und dem unvergleichlichen Flair schon längst einem Investor versprochen hat, der daraus ein Luxushotel machen will.

Damit sind die Frauen in Rom beschäftigt, aber aufgrund des Symbolcharakters der »Casa« spielt das Thema auch in vielen anderen Landesteilen eine Rolle. Und irgendwie entsteht das Gefühl, als würden alle Energien der italienischen Frauen- und feministischen Bewegung in dieses eine Ziel fließen: Rettet das Internationale Haus der Frau. Für andere Themen - und seien sie noch so wichtig - scheint keine Kraft mehr übrig zu sein.

Eine der Organisationen, die in der »Casa« ihren Sitz haben, ist »Frauen gegen Rassismus«. In den letzten 20 Jahren war sie sehr aktiv und hat Schlag auf Schlag auf alle Ereignisse geantwortet, die zeigten, dass auch in Italien Rassismus eine Gefahr darstellt.

Als aber zum Beispiel vor wenigen Wochen Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega eine »Volkszählung« für Roma und Sinti vorschlug, um alle auszuweisen, die keinen italienischen Pass haben, passierte rein gar nichts. Viel persönliche Entrüstung, aber keine öffentlichen Initiativen - noch nicht einmal von den Roma- und Sintifrauen, die in der Organisation mitarbeiten. Es gibt keine Initiativen gegen die immer rassistischere Flüchtlingspolitik, die Italien inzwischen zu einem der besten Freunde des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gemacht hat. Und selbst als der neue Familienminister erklärte, es gäbe keine »homosexuellen Familien«, war der Protest doch recht lau.

Gründe für diese »Schockstarre« der Frauen- und feministischen Bewegung gibt es sicher viele. Auf der einen Seite natürlich die enorme Kraftanstrengung, um die »Casa« zu retten. Aber wahrscheinlich waren sie auf den radikalen Wandel des politischen Klimas in Italien nicht vorbereitet - wie offensichtlich die gesamte Linke im Lande nicht.

Darüber hinaus gibt es auch ein spezifische Problem mit der Fünf- Sterne-Bewegung: Viele engagierte Frauen hatten große Hoffnung in diese Partei gesetzt, die sich in der Vergangenheit oft für Frauenrechte engagiert hatte. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass die Fünf Sterne gerade mit der Lega koalieren und dann in der Regierung auf ein eigenständiges Profil verzichten würde.

Sicher, mit der römischen Bürgermeisterin Virginia Raggi hatte man schon jede Menge schlechte Erfahrungen gemacht, aber solch einen Rechtsruck in der italienischen Politik und im politischen Klima wurde nicht erwartet. Jetzt bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis die italienischen Frauen zu ihrer bekannten kämpferischen Haltung zurückfinden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Dazu passende Podcast-Folgen:

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal