Trump schwingt die Axt

Uli Cremer plädiert für die Erhaltung des UN-Menschenrechtsrats - und verurteilt den Austritt des USA aus dem Gremium

  • Lesedauer: 3 Min.

US-Präsident Trump lässt seinen Worten gegen die globalen Ordnungssysteme Taten folgen: Erst kürzlich hat er den Ausstieg der USA aus dem UN-Menschenrechtsrat angekündigt. Damit schwingt er die Axt gegen das globale System der Vereinten Nationen. Denn aus der UNESCO, der UN-Kulturorganisation, hat sich Washington auch schon zurückgezogen.

Zweifellos bedeutet der US-Austritt eine enorme Schwächung der internationalen Menschenrechtspolitik. Als Grund führt Trump - wie bei der UNESCO - an, dass der Rat »antiisraelisch« sei. Natürlich ist es legitim, Kritik zu üben - auch an der UNO. Aber ist diese richtig? Und ist die Reaktion darauf angemessen?

Der Rat wurde 2006 unter der Federführung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama gebildet. Die Begründung war seinerzeit, dass er ein wichtiges neues Instrument zur Verteidigung der Menschenrechte sei. Das ist heute so richtig wie damals. Deswegen muss der Rat erhalten werden - gegen die Zerstörungsabsicht der Trump-Regierung, die die Welt zurück auf los, also wieder in die Zeit vor 2006 schicken will. Denn eine Neugründung wäre sicher ein noch schwierigeres Unterfangen.

Mit dem Austritt der USA ergibt sich die Anforderung an die Europäische Union (und damit auch an Deutschland), alles zu tun, um den UN-Rat zu erhalten. Sonst kann man ihn schlecht verbessern. Die Aufgabe ist nicht einfach, da es an verlässlichen mächtigen Partnern in Sachen Menschenrechte fehlt. Peking und Moskau ist die Position Washingtons sehr recht.

Bei aller Kritik, die an der Institution und ihrer aktuellen Verfasstheit geübt werden kann, ist der Rat ein wesentlicher Baustein in der internationalen Menschenrechtspolitik. Mehr noch: Er ist eine Errungenschaft. Kritik muss deswegen vielmehr an jenen geübt werden, die den Rat zerstören wollen. Das ist zuallererst die aktuelle US-Regierung. Gefragt ist also eine klare Haltung statt versteckter Kumpanei und Verständnis.

Deswegen ist die Reaktion der EU-Staaten auf den Austritt problematisch. Ihre Kritik ist eher lau. Ihr Motiv dabei: Brüssel will den politischen Dialogfaden nach Washington nicht abreißen lassen. Solidarität mit der US-Regierung ist offenbar wichtiger als Menschenrechte.

Während für die US-Regierung der Menschenrechtsrat eine »Jauchegrube der politischen Voreingenommenheit« ist, äußerte Regierungssprecher Steffen Seibert Verständnis für die US-Kritik an dem Gremium: »Auch Deutschland betrachtet die anti-israelischen Tendenzen im Menschenrechtsrat mit Sorge.« Kritik an der israelischen Regierungspolitik wird hier zum Antisemitismusvorwurf aufgeblasen. Wer den US-Präsidenten kritisiert, macht sich in dieser Logik des Antiamerikanismus schuldig.

Nun mag Seibert nur die Auffassung der Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzenden äußern, aber wo sind die abweichenden Auffassungen der anderen Regierungsparteien SPD und CSU? Letztere gibt es zuweilen, zuletzt in der Migrationspolitik. In Sachen »US-Regierung und Menschenrechtsrat« sind derartige Einlassungen jedoch ausgeblieben. Die Bundesregierung kann offenbar die US-Kritik an dem UN-Menschenrechtsrat nachvollziehen. Eine Steigerung wäre natürlich noch, wenn Berlin ebenfalls aus dem Gremium austreten würde. Dieser Schritt aber ist zum Glück bisher ausgeblieben.

Doch auch so ist die deutsche Haltung falsch. Überhaupt ist bis hierhin genügend Porzellan zerschlagen worden. Die Verantwortung der Oppositionsparteien im Bundestag wäre es nun, die Regierung zu kritisieren und Aktionen zu organisieren. Aber bisher rührt sich niemand (wenn man einmal von Positionierung der Linkspartei absieht). Auch außerparlamentarisch ist bisher keine Gegenwehr sichtbar geworden. Wo sind Aktionen und Proteste der Friedensbewegung? Es herrscht allgemeines Schweigen.

Offenbar wird die Tragweite des US-Handelns nicht erkannt. Ignorieren ist der falsche Weg. Man sollte nicht übersehen, dass auch die US-KritikerInnen Unterstützung und Solidarität brauchen. Der US-Austritt aus dem Menschenrechtsrat ist mehr als eine weitere verbale Entgleisung Trumps. Die Demontage dieser UN-Institution bedeutet eine neue Qualität, die mehr als Ignoranz oder Schulterzucken erfordert. Der Geschäftsmann aus New York City hat offenbar auch die deutsche Friedensbewegung in Schockstarre versetzt.

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