Feuerpause im Gazastreifen mit Israel vereinbart

Schwere militärische Auseinandersetzungen der israelischen Armee mit der Hamas

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Angriffe der israelischen Luftwaffe am Wochenende konzentrierten sich auf Ziele von Hamas und Islamischem Dschihad im Gazastreifen. Angegriffen wurden unter anderem Trainingslager und eine Einrichtung, in der nach Angaben des israelischen Militärs die öffentlichkeitswirksam als »Terrordrachen« bezeichneten Winddrachen hergestellt werden, an denen Brandsätze befestigt sind: Seit einigen Monaten setzen diese aus Plastik, Papier und Stöcken zusammen gebauten Drachen israelische Felder in Brand, und richten von Zeit zu Zeit auch Schaden im Gazastreifen oder in Ägypten an, wenn der Wind sich plötzlich dreht.

Kampfgruppen der Hamas und des mit ihr rivalisierenden Islamischen Dschihads feuerten rund 100 Raketen auf Israel ab, die aber allesamt entweder auf unbewohntem Gebiet landeten, oder vom Abwehrsystem »Eiserne Kuppel« abgefangen wurden. Schon Stunden später erklärte die Hamas dann einen einseitigen Waffenstillstand, der allerdings aus israelischer Sicht nicht eingehalten wurde: Auch nach Erklärung der Feuerpause habe man weiterhin Winddrachen aufsteigen lassen. Israel sieht diese Drachen als Waffen, die Hamas nicht.

Die Drachen würden von »verzweifelten Menschen« dazu genutzt, um aus ihrem »Verlies« heraus auf sich aufmerksam zu machen, sagt Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum, und bestreitet, dass die Hamas das Aufsteigen der Drachen plane, finanziere und koordiniere. »Es ist das einzige Mittel, dass unsere Bevölkerung hat, und gegen das kein Militär mit aller Technologie in der Welt etwas ausrichten kann.«

Doch israelische Militärvertreter sehen darin vor allem eine Strategie der Hamas, Israels Handlungsspielraum zu limitieren. Man provoziere, und sobald das Militär dann zuschlage, erkläre man eine einseitige Waffenruhe, lasse aber weiterhin die Drachen aufsteigen, um dann bei weiteren Reaktionen des Militärs Israel als Aggressor darstellen zu können.

Das Ziel: Israel soll unter so großen internationalen Druck gesetzt werden, dass es die Blockade des Gazastreifen aufhebt. Sie wurde Anfang vergangener Woche mit der Schließung des Übergangs Kerem Schalom und einer Verkleinerung der Fischereizone von neun auf sechs Seemeilen weiter verschärft. Unmittelbar danach kam es in Gaza zu Hamsterkäufen. Auch einige der wenigen produzierenden Unternehmen, die es dort noch gibt, mussten mittlerweile schließen, weil sie ihre Waren nicht mehr exportieren können.

Dass Israels Militär nun angriff, lag allerdings weniger als den Winddrachen, als am innenpolitischen Druck: Die rechten Parteien in der Regierung fordern eine umfassende Luft- und Bodenoffensive; ein erheblicher Teil der eigenen Wählerschaft lebt im Umland von Gaza. Außerdem fordert die Siedlerbewegung einen Neubau von Siedlungen im Gazastreifen; die Räumung der Siedlungen dort 2005 habe erst zu dieser Situation geführt.

Doch Siedlungsbau, einen Einmarsch in Gaza, oder auch nur eine weitere Eskalation schließt vor allem die Militärführung aus: Immer wieder verweisen die Generäle auf den Iran, auf Syrien und auf die Sinai-Halbinsel, wo Ägyptens Militär gegen den Islamischen Staat kämpft. Da komme es überhaupt nicht in Frage, dass man Truppen langfristig in Gaza bindet. Stattdessen flog man die Angriffe nun bei Tageslicht, statt wie üblich bei Nacht, und bezeichnete es als »größte Tageslicht-Offensive« seit 2014.

Einen weiteren Krieg will aber auch die Hamas vermeiden - stattdessen signalisierte man am Sonntag Gesprächsbereitschaft. Denn die Organisation verliert an Unterstützung. Weitere Zerstörungen, statt eine Besserung der Lage, könnte dazu führen, dass sich die Bevölkerung gegen sie wendet. Das würde aber bedeuten, dass noch militantere Gruppen, nicht aber die ausgesprochen unbeliebte, mit der Hamas verfeindete offizielle palästinensische Regierung die Oberhand gewinnen würden. Doch noch fordert die Hamas, auch ziviles Material einführen zu dürfen, dass das für den Waffenbau genutzt werden kann. Israels Regierung stellte deshalb klar, dass es ohne Schritte zur Demilitarisierung keine solchen Zugeständnisse geben werde.

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