Farnborough kämpft mit Turbulenzen

Luftfahrtmesse eröffnet: Strategische Geschäftsabschlüsse sind schwierig, solange in London Chaos herrscht

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Alle zwei Jahre zieht es die Luftfahrtindustrie sowie deren Kunden auf einen Flugplatz südwestlich von London. Das ist schon seit 1948 so. Nach dem Pariser Aerosalon ist die Farnborough International Airshow die zweitgrößte Luftfahrtschau der Welt. Die ILA bei Berlin ist und bleibt nur ein blasser Konkurrent.

Natürlich stehen auch in diesem Jahr wieder einige technische und logistische Neuheiten zur Debatte, doch die Messe in England wird vor allem von zwei Fragen dominiert: Wie geht es weiter nach dem Brexit? Welche Rolle wird die durchaus potente britische Luftfahrtindustrie dann noch spielen?

Die jüngsten Brexit-Kontroversen innerhalb der britischen Regierung und die widersprüchlichen Äußerungen des US-Präsidenten zu Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien sind Gift für weitreichende, geschweige denn strategisch bedeutsame Geschäftsabschlüsse. Am ehesten verkraften Luftverkehrsgesellschaften derartige politische Turbulenzen. So hat der britische Billigflieger Easyjet einfach Tochterfirmen auf dem europäischen Kontinent gegründet und kann EU-Geschäfte von dort abwickeln. Anders ist das bei den Herstellern von Flugzeugen und deren Komponenten. Der Airbus-Konzern, der in Broughton nahe Liverpool Tragflächen für einige Modelle bauen lässt, drohte bereits mit Investitionssperre. Auch in der militärischen Luftfahrindustrie sind Firmen aus EU-Staaten mit britischen verbandelt und an weiteren Exporterlösen interessiert.

Dennoch, der Andrang in Farnborough ist beachtlich. Die Fahnen von 52 Ländern wehen über dem Gelände. 1500 Aussteller haben sich angemeldet, 71 Prozent kommen aus dem Ausland. Und wieder einmal wird mit Spannung auf das geschaut, was die beiden Weltmarktführer zu bieten haben. Airbus wie Boeing präsentieren aber lediglich Weiterentwicklungen bestehender Modelle. Interessanter sind wirtschaftliche Neuausrichtungen. Weil beide Giganten in ihren Flugzeugfamilien keine Typen anbieten, die nur 100 bis 150 Passagiere befördern können, kaufen sie das Segment einfach dazu. Nach dem Zusammenschluss von Airbus mit den kanadischen Herstellern der Bombardier-C-Serie hat Boeing angekündigt, beim brasilianischen Produzenten Embraer einzusteigen.

Airbus hatte für die Messe in Farnborough erste Ergebnisse des neuen Joint Ventures angekündigt, die vor allem in Richtung Kostenminimierung gehen. Bei der Kooperation mit Embraer könnte sich Boeing weitaus mehr Schwierigkeiten eingehandelt haben. Weil der Industriezweig für Brasilia als strategisch gilt, hat die dortige Regierung einige Einsprüche erhoben. Nun fragt sich, wie Trump reagiert, wenn er mitbekommt, dass das Joint Venture von einem brasilianischen Management geleitet werden soll.

Die Konkurrenz hält dagegen. Der russische Flugzeugbauer Irkut hat im vergangenen Jahr mit der MS-21 einen durchaus interessanten Mittelstreckenjet in die Luft gebracht. Und China bietet mit seiner vergleichbaren C919 eine vor allem preisliche Alternative.

Gleichfalls in Farnborough zu betrachten sind zahlreiche Rüstungsofferten. Nach dem vergangene Woche verabschiedeten Aufrüstungsplan der NATO ist für die Hersteller in West wie Ost so einiges zu holen.

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