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  • Richtungsstreit der LINKEN im Saarland

Linkspartei an der Saar gespalten

Nach dem Rücktritt dreier Vorstandsmitglieder stehen sich die zerstrittenen Lager umso unversöhnlicher gegenüber

  • Jörg Fischer, Saarbrücken
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Landesverband von Oskar Lafontaine steht vor einer ungewissen Zukunft. Nur wenige Monate nach einem Parteitag, der einen Neuanfang markieren sollte, haben gleich drei Lafontaine-Getreue im Vorstand der Saar-LINKEN genervt das Handtuch geworfen. In der vergangenen Woche traten der ehemalige Landtagsabgeordnete Heinz Bierbaum, der Landesgeschäftsführer und frühere SPD-Landtagsabgeordnete Leo Stefan Schmitt sowie Ex-Betriebsrat Elmar Seiwert zurück.

Sie seien im November vergangenen Jahres angetreten, um sich »angesichts der tiefen Zerrissenheit des Landesvorstandes für eine integrative Politik zu engagieren. «Ein Wille zur Integration ist bei der Mehrheit im Landesvorstand nicht erkennbar», hieß es zur Begründung. Damit scheint der Weg frei für die Anhänger des in der Partei umstrittenen Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze, der seit Jahren mit dem Mitbegründer der LINKEN Oskar Lafontaine im Clinch liegt.

Entscheidend für den Rücktritt von Bierbaum und Co. war laut Presseerklärung «die Weigerung der Mehrheit, die dringend notwendige Mitgliederbereinigung vorzunehmen.» Ohne diese aber sei der «unseligen Praxis der Mitgliedermanipulation weiterhin Tor und Tür geöffnet». Damit steht auch der Vorwurf weiter im Raum, Lutze habe bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr «Stimmvieh» herangekarrt oder herankarren lassen und teils deren Mitgliederbeitrag bezahlt, um wieder auf Platz 1 in den Bundestag zu kommen.

Der Rest-Landesvorstand um Vize Andreas Neumann wies die Vorwürfe jetzt zurück. Man habe die satzungsgemäßen Maßnahmen im Zuge des abgeschlossenen Mahnverfahrens einstimmig im Februar 2018 vollzogen. «Die nun konstruierte Zusammenführung des Mahnwesens mit Manipulationsvorwürfen ist absurd, da nur diejenigen Mitglieder eine Stimmkarte erhalten oder bei der Berechnung von Delegiertenzahlen berücksichtigt werden, deren Mitgliedsbeiträge ordnungsgemäß bezahlt sind». Letzteres war von den Kritikern allerdings gar nicht angezweifelt worden.

Neumann wird nachgesagt, dem Lutze-Lager nahe zu stehen; er wird als neuer «starker Mann» der Saar-LINKEN gehandelt. Seine Gegner monieren ein für einen Linksparteipolitiker eher ungewöhnliches Gebaren. «Phelan» (kleiner Wolf), wie er sich selbst nennt (und diese Bezeichnung auf seiner Homepage auch als Rufnamen angibt), zeigt sich auf einem Foto schon mal im «Wichs» eines Burschenschaftlers mit Mütze, Schärpe, Handschuhen und Reiterstiefeln und soll einer angeblichen katholischen Sekte angehören, der «Societas Urieles».

Die Querelen innerhalb der Saar-LINKEN dauern nun schon länger an. Im vergangenen Jahr überzogen sich die Genossen gegenseitig mit Parteiausschlussverfahren, und fast wäre der Wiedereinzug eines Vertreters der Saar-LINKEN in den Bundestag gescheitert, weil Genossen die Rechtmäßigkeit von Lutzes Kandidatur angefochten hatten.

Im November hatte Landtags-Fraktionsgeschäftsführer Jochen Flackus auf einem turbulenten Parteitag, bei dem als Kompromiss ein gemischter Vorstand aus beiden Lagern gewählt wurde, den Landesvorsitz übernommen. Er wollte versuchen, «eine »Kompromisslinie im neuen Vorstand« hinzubekommen, die alle Gruppen einbezieht. Aber lange tat er sich das nicht an. Bereits im Februar trat der gesundheitlich angeschlagene Flackus, im Landtag rechte Hand von Fraktionschef Lafontaine, »auf Anraten seiner Ärzte« von dem Parteiamt zurück. Seither ist der Posten vakant.

Trotz der Querelen haben die LINKEN an der Saar im Vergleich zu vielen anderen West-Landesverbänden passable Wahlergebnisse vorzuweisen. Sowohl bei den Landtagswahlen als auch bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr fuhren sie Ergebnisse von knapp 13 Prozent ein. Zu verdanken haben sie das nicht zuletzt dem »Oskar-Bonus«. Denn der ehemalige saarländische Ministerpräsident ist vielen Saarländern als Landesvater noch in guter Erinnerung.

Aus den internen Querelen seines Landesverbandes hält sich Lafontaine, nach wie vor Chef der Landtagsfraktion, zumindest in der Öffentlichkeit schon seit Jahren heraus. Dass sich der 74-jährige auf »die Höhen des Saargaus zurückzieht, ist zwar nachvollziehbar aber auch verantwortungslos«, kommentierte der Saarländische Rundfunk.

Denn die Gefahr ist groß, dass sich der Landesverband an der Saar selbst zerlegt. Und das wiegt um so schwerer, da die Linkspartei neben der rechtspopulistischen AfD die einzige Oppositionskraft im Landtag ist, die wenigstens ein Zeichen gegen die übermächtigen Regierungsparteien von CDU und SPD setzen könnte.

Professor Bierbaum, der als besonnener Politiker gilt, hegt die leise Hoffnung, dass die Bundesgeschäftsführung politisch auf den verbliebenen Landesvorstand um Andreas Neumann einwirkt, sich mit dem Lafontaine-Flügel doch noch zu versöhnen und politisch wieder aktiver zu werden. Überzeugt davon, dass eine Befriedung an der Saar unter Einbeziehung beider Flügel noch gelingen könnte, ist er offenbar nicht mehr.

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