nd-aktuell.de / 21.07.2018 / Kultur / Seite 16

Gärten - Zufluchtsorte in Licht und Farbe

Gartenbilder von Max Liebermann und Paul Klee - eine Sommerausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee

Klaus Hammer

Die originalgetreu restaurierte Liebermann-Villa am Wannsee mit ihrem lichtdurchfluteten und farbenprächtigen Garten, das einstige Refugium des großen Berliner Malers im Süden Berlins, ist ein besonderer Anziehungspunkt für die Berliner und Besucher. Jetzt umso mehr, da in den Sommermonaten wunderbare Gartenbilder von Liebermann und Paul Klee gezeigt werden. Scheinbar haben sie nichts miteinander zu tun, der Nestor der impressionistischen Malerei und der Pionier der abstrakten Kunst, der sich auch der Erforschung ihrer Grundsätze gewidmet hat. Aber in ihren Gartenbildern führen sie einen beredten Dialog miteinander - sie werden begreifbar in ihren Entsprechungen wie Entgegensetzungen.

Für seinen Garten, der die von ihm seit 1910 bewohnte Villa am Wannsee umgibt, hatte sich Liebermann bei seinem Freund Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, der ein Fachmann für Reformgärten war, Rat geholt. Das Wassergrundstück wurde für den Maler ein Ort des Rückzugs und zugleich ein künstlerischer Neubeginn. Mehr als 200 Gartenbilder entstanden hier im Laufe der Zeit. Widmete er 1915/16 vor allem den Blumenterrassen Bilder mit starken Farbkontrasten, kamen 1917 Ansichten des wegen der Nahrungsmittelknappheit zwischen Haus und See angelegten Kohlfeldes hinzu. Daneben schilderte der Maler in mehreren Bildern die über die Blumenterrassen hinweg gesehene Hausfassade. 1918 nahm er zum ersten Mal die Birkenallee an der Nordseite des Grundstücks in den Blick. 1919 kehrte er zu den Blumenterrassen zurück, und zugleich schuf er eine Bildfolge des Nutzgartens mit seinen farbenprächtigen Blumenstauden.

1924 hatte Liebermann das Bild »Manet malt im Garten Monets in Argenteuil« (1874) für seine Sammlung erworben. Manets skizzenhafte, fragmentarische Gestaltungsweise hat ihn sehr angezogen, allein 17 Manets enthielt seine Sammlung, darunter eine Gruppe von fünf späten Gartenbildern.

In den eigenen Gartenbildern gelang Liebermann dann selbst die schnelle und charakteristische Auffassung der Natur, die Unmittelbarkeit des Ausdrucks, die Sinnlichkeit, die er aus den Bildern Manets heraus las. Gezeichnete Studien spielten nun in seinem Spätwerk keine Rolle mehr. Er malte den Garten von fast allen Ecken und Enden des Anwesens in verschiedenen Himmelrichtungen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven, bei wechselndem Licht und mit oder ohne Menschen. Seine Staffelei stellte er im Freien auf, vollendete die Bilder aber meist im Atelier, das er im ersten Stock seiner Villa eingerichtet hatte. Seine Gartenbilder zeichnen sich häufig durch eine Art »Weitwinkeleffekt« aus, wie wir ihn von der Fotografie her kennen. Der Garten, der auf Liebermanns Bildern wie ein riesiges Areal aussieht, ist in Wirklichkeit nur etwas mehr als sieben Hektar groß. In manchen Gemälden scheint das Haus weit weg vom See zu liegen, und auch die Blumenterrasse wirkt riesig. Mit perspektivischen und optischen Kunstgriffen suchte der Maler ein Bild von seinem Garten zu vermitteln, das der Sehnsucht nach einem irdischen Gartenparadies entspricht und in dem nichts an sein anstrengendes und hektisches Arbeitsleben erinnern sollte.

Was hat ihn angeregt, dieses Panorama als künstlerisches Mittel einzusetzen? Die Fotografie war es nicht, denn die sah er im striktesten Gegensatz zur Kunst. Typische Kompositionselemente - wie eben den Weitwinkelblick - weisen aber auch die japanischen Holzschnitte auf, die Liebermann schon in den 1890er Jahren gesammelt hatte. Aber auch seine Begegnung mit Holland, in dessen Landschaft die strengen, gerade und parallel verlaufenden Linien zu erkennen sind, ist als ein Beweggrund für das Bedürfnis Liebermanns gesehen worden, Weite zu erzeugen. Das System von geraden Linien, das die Anlage seines eigenen Gartens bildet, bestimmt auch die Komposition seiner Bilder. Die Raumwirkung ist ungeheuer, es ist tatsächlich so, als könnten wir in seinen Bildern spazieren gehen.

Wie ein Miniaturenmaler wollte Paul Klee die Natur ganz exakt für die Sprache des Stils durchlässig machen - und das bedeutete nicht nur genaue, sondern auch ekstatische Beobachtung der natürlichen Welt und ein Sich-zu-eigen-Machen der Extreme von Nah und Fern, der Nahaufnahme des Details und der von fern gesehenen »kosmischen« Landschaft.

Begriffe wie »Metamorphose« und »Genesis«, die das Moment der ständigen Bewegung und Umformung als konstituierende Elemente enthalten, wurden zu seinen zentralen Formeln. In »Erinnerung an einen Garten« (1915), das zu den Tunis-Aquarellen gehört, tauchen aus einem Grund farbiger, dunkeltoniger Rechtecke einzelne Elemente, zu einem System geordnet, auf und scheinen gleich darauf wieder in der Tiefe zu verschwinden. Die »Erinnerung« setzt hier Wahrnehmungsstrukturen frei, die in Bildstrukturen übersetzt wurden. Wie im Spiel baute Klee seine fantastischen Landschafts- und Gartenräume. Formen assoziieren sich zu traumhaften Symbolen, die beim Betrachter den Wunsch auslösen, in nicht zu enträtselnde Geheimnisse einzudringen.

Ja, für Klee waren Gärten imaginäre Orte. Die Zeit verliert ihre historische Dimension und wird zu einem Raum der Erinnerung. Es gibt bei ihm Obst-, Blumen- und Felsengärten, ebenso Vogel-, Fisch- und Seegärten, orientalische und tropische Gärten und - gleichsam als Synthese dieses imaginierten Reichtums - Lust- und Zaubergärten oder deren mythologische Varianten (»Zaubergarten«, 1926). Es sind Orte aus der Vorstellungswelt. Klee war selbst Sammler von Naturalien, die ihm auch als Vorlage für seine Imaginationsbilder dienten.

Im magischen Blau erstrahlt das »Tor zum verlassenen Garten« (1935), erdige Grundtöne werden durch lichte Orange-, Gelb- und Grünakzente dem Licht entgegengeführt. In einer offenen Struktur sind Bäume, Blumen und Sträucher in »Neu angelegter Garten« (1937) zeichenhaft zu erkennen. Mit einer minimalen Geste lässt Klee die abstrakten hieroglyphenartigen Zeichen zu Figuren, Pflanzen und Naturelementen aufleben.

Bis 17. September, Liebermann-Villa, Colomierstraße 3, Wannsee, täglich (außer dienstags)