nd-aktuell.de / 31.07.2018 / Kultur / Seite 16

Antworten an nationale Dumpfhirne

Hasnain Kazim schreibt in »Post von Karlheinz« über wütende Mails von richtigen Deutschen und wie er auf sie reagierte

Friedemann Kluge

Kurt Tucholsky war es, der sinngemäß einmal sagte, dass man einen Gegner gar nicht wirklich töten müsse; viel wirkungsvoller sei es, ihn schlicht tot zu lachen. Ich weiß nicht, ob Hasnain Kazim Tucholsky gelesen hat - aber seine Idee ist vergleichbar.

Kazim ist Deutscher. Mit, wie es so unschön heißt, Migrationshintergrund. So, wie die Tschechen und Polen, die im 19. Jahrhundert ins Ruhrgebiet strömten, heute in ihrer überwältigenden Mehrheit Deutsche sind. Worüber sich zu Recht kein Mensch mehr aufregt. Bei Kazim ist das anders. Er wurde selbst zwar in Oldenburg geboren, aber seine Eltern sind Pakistani. Und seine Haut ist entsprechend dunkel.

Grund genug für die allerdümmsten Netzbeschmutzer, ihn mit Hassmails zu überschütten. Nach anfänglicher Verstörtheit begann Kazim sich zu wehren. Er antwortete den Verfassern der Mails. Manchmal ernsthaft. Manchmal boshaft. Immer aber intelligent. Das Gute daran: Wenn die Absender der Mails nicht völlig dämlich erscheinen, nahm (und nimmt) Kazim sie sogar ernst. Antwortet ihnen ruhig und sachlich. Und, o Wunder, in einigen, sehr wenigen Fällen trug seine Überzeugungsarbeit sogar Früchte. Einer der Schreiber bedankt sich in seiner letzten Mail an Kazim: »Seien Sie versichert, dass Sie bei mir etwas angestoßen haben.«

Bei den gnadenlosen, platthirnigen Primaten aber zeigt er sich ebenfalls gnadenlos. Einer fragt ihn, ob er Schweinefleisch esse. Kazim antwortet: »Nein, ich esse nur Elefant und Kamel. Elefant immer gut durch, Kamel gerne blutig.« Bei manchen Schreibern bricht er die Kommunikation schließlich ab: »Dafür, dass du dumm bist, kannst du nichts. Aber dafür, dass du Hass verbreitest, … dafür bist du verantwortlich. Es macht keinen Sinn, mit dir weiter zu diskutieren. Also tschüss!«

Die beißende Ironie Kazims können Primaten in aller Regel nicht verstehen. »Komm du SCHREIBERLING zu mir, dann zeige ich dir, was ein ECHTER DEUTSCHER ist«, drohte Karlheinz S., auf den sich der Titel des Buches bezieht. Kazim bedankt sich freundlich für die »Einladung« und fährt fort: »Sehr gerne komme ich zu Ihnen. Da ich zufälligerweise mit meiner Familie (Großeltern, Eltern, Geschwister, drei Ehefrauen (die vierte konnte nicht, die liegt gerade im Kreißsaal und kriegt unser sechstes gemeinsames Kind), acht Kindern, 17 Cousinen, 17 Cousins und 22 ihrer Kinder) ohnehin in Ihrer Nähe auf Urlaub bin, würde ich gerne gleich am Sonntag, 4. Dezember, vorbeischauen und mit Ihnen Advent feiern. Wir alle freuen uns sehr, von Ihnen zu lernen, was ein ›echter Deutscher‹ ist.« Karlheinzens Antwort: »Soll das ein Witz sein?«

Wäre Dummheit nicht eine solch endemische Seuche - man könnte sich an vielen Stellen des Buches scheckig lachen. Oft aber überwiegt das Grauen über den Hass und die völlige Absenz des Verstandes. Da möchte man mit einem alten Sponti-Spruch ausrufen: »Liebe Ausländer, lasst uns bitte mit den Deutschen nicht allein!«

Hasnain Kazim: Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen und was ich ihnen antworte. Penguin Verlag, 269 S., br., 10 €.