Lachse auf der Flucht

In Chile sind Hunderttausende Fische aus einer Zuchtfarm ausgebrochen

  • Sophia Boddenberg, Santiago de Chile
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 690 000 Lachse sind aus einer Zuchtfarm des norwegischen Unternehmens Marine Harvest in der Nähe von Puerto Montt im Süden Chiles ausgebrochen. Es handelt sich um eine der größten Lachsfluchten, die Chile je erlebt hat. Umweltschützer befürchten schwerwiegende Folgen für das gesamte Ökosystem.

Marine Harvest betreibt mehrere Fischfarmen in der Región de los Lagos in Chile. Der Ausbruch der Lachse ist nicht der erste. Zahlen des chilenischen Umweltministeriums zufolge sind in den vergangenen acht Jahren zwei Millionen Lachse aus den Zuchtfarmen des Unternehmens ausgebrochen. Der regionale Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Francisco Muñoz, bestätigte, dass Marine Harvest das Unternehmen mit den meisten Fischausbrüchen in der Region ist.

Marine Harvest ist in Norwegen, Schottland, Frankreich, Kanada, Chile und Japan tätig. Dem Konzern wurde bereits mehrfach vorgeworfen, in Chile Lachsfarmen unter Missachtung ökologischer, rechtlicher, sozialer und medizinischer Standards, Richtlinien und Gesetze zu betreiben. Dieser Vorwurf brachte dem Unternehmen im Januar 2014 eine Nominierung für den Negativ-Preis »Public Eye Award« für besonders üble Vergehen an Mensch und Umwelt ein.

Dem Unternehmen zufolge war ein starkes Gewitter die Ursache dafür, dass die Fische am 5. Juli aus ihren Käfigen ausbrechen konnten. Innerhalb von 60 Tagen muss Marine Harvest nun zehn Prozent der Lachse wieder einfangen, sonst droht eine hohe Strafzahlung. Bisher wurden gerade einmal 35 000 Fische eingefangen. Deshalb bietet Marine Harvest nun 7000 chilenische Pesos, umgerechnet etwa zehn Euro, pro Fisch - tot oder lebendig. Fischer und Bewohner der Region sind seit Wochen mit dem Wiedereinfangen beschäftigt. Viele sprechen von einem wahren »Lachs-Fieber«.

Umweltschützer kritisieren die Maßnahme des Unternehmens. Estefanía Gonzales, Vertreterin von Greenpeace Chile wies darauf hin, dass ein Lachs etwa drei Kilo wiegt und die ausgeschriebene Zahlung des Unternehmens deshalb weit unter dem Marktpreis von 13 000 chilenischen Pesos für ein Kilo Lachs liegt.

Der Consejo Regional de Pescadores Artesanales, der regionale Rat der Fischer, hat Klage gegen die Verantwortlichen für die Lachs-Flucht eingereicht. Die Zuchtfarmen hätten negative Folgen für die Region, und der Ausbrauch der Lachse dürfte nicht straffrei bleiben, sagte Jorge Bustos, Sprecher der Fischer.

Die ökologischen Folgen des Lachs-Ausbruchs sind gravierend. Ein großer Teil der Lachse in chilenischen Zuchtfarmen wird mit Antibiotika behandelt. Der Umweltschutzorganisation Greenpeace zufolge wird ein Lachs in Chile mit einer 700-fach höheren Dosis Antibiotika behandelt als ein Lachs in Norwegen. Die ausgebrochenen Lachse können von größeren Tieren wie Pinguinen oder Seelöwen gefressen werden, und sie selbst werden die kleinere Fische in der Umgebung fressen. Zuchtlachse sind zudem größer und aggressiver als Wildlachse. Aufgrund der hohen Anzahl der ausgebrochenen Lachse wird das Ökosystem in der Region vermutlich einen bleibenden Schaden erleiden.

Die Lachszucht in Chile steht seit einiger Zeit in der Kritik von Umweltschützern. Nach Norwegen ist Chile der zweitgrößte Lachsproduzent der Welt. Lachse sind nach Kupfer der größte Exportartikel des südamerikanischen Landes.

2016 starben Lachse mit einem Gesamtgewicht von 40 000 Tonnen in der Nähe der Insel Chiloé, darunter auch Lachse von Marine Harvest. Die toten Lachse verpesteten das Wasser, Tausende Kleinfischer verloren ihre Arbeit. Behörden machten dafür die massenhafte Vermehrung von Algen verantwortlich. Doch wahrscheinlich ist wachsende Zahl von Fischfarmen auch für die Zunahme der Algen verantwortlich. Umweltschützer fordern deshalb stärkere Regulierungen für die Lachszucht in Chile und höhere Strafen für die Unternehmen, die Umweltstandards missachten.

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