nd-aktuell.de / 02.08.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

Pflege als Milliardenprojekt

Neues Gesetz soll 13 000 neue Beschäftigte in die Altenheime bringen - reichen wird das kaum

Ulrike Henning

Das Pflegepersonalstärkungsgesetz, das von der Bundesregierung am Mittwoch beschlossen wurde, soll 13 000 neue Pflegekräfte in die Altenheime bringen. Die Kosten von 640 Millionen Euro jährlich sollen die gesetzlichen Krankenkassen aufbringen. Je nach Anzahl der Bewohner bekommen die Einrichtungen zwischen einer halben und bis zu zwei vollen zusätzlichen Pflegestellen. Kritiker wie die Deutsche Stiftung Patientenschutz halten das für zu wenig. Es bedeute gerade einmal sechs Minuten mehr Zeit am Tag für jeden Pflegebedürftigen.

Damit die neuen Stellen überhaupt besetzt werden können, soll der Beruf durch höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen attraktiver gemacht werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will außerdem Pflegekräfte aus dem Ausland anwerben, insbesondere aus Albanien und Kosovo. Der Bund will zudem dafür sorgen, dass ambulante Pflegeeinrichtungen Unterstützung bei der Digitalisierung bekommen.

Auch für mehr Pflegekräfte in den Krankenhäusern sollen ab sofort mehrere Maßnahmen sorgen. Die Krankenkassen sollen die Kosten für jede neue oder aufgestockte Pflegestelle vollständig übernehmen. Sogar rückwirkend für das laufende Jahr werden die vollen Kosten für die Tarifsteigerungen für Pflegekräfte übernommen. Die Personalkosten in der Krankenhauspflege sollen zudem nicht mehr über die sogenannten Fallpauschalen abgerechnet werden. Ab 2020 werden stattdessen in jeder Klinik Pflegebudgets ausgehandelt. Weiterhin soll es finanzielle Anreize für die Ausbildung geben. Eine weitere, noch im Detail auszuhandelnde Maßnahme ist die Festlegung von Personaluntergrenzen, bei deren Unterschreitung den Krankenhäusern Kürzungen ihrer Mittel drohen, was dann bis zu Abteilungsschließungen führen könnte.

Für das Milliardenprojekt will Spahn vor allem die Reserven der gesetzlichen Krankenkassen nutzen. Diese sollen bis 2022 für die Vorhaben etwa 8,3 Milliarden Euro aufbringen. Zudem plant der Minister eine Anhebung des Beitrags der Pflegeversicherung um 0,5 Beitragspunkte.

Bisherige Reaktionen auf das Gesetz reichen von Zustimmung bis zu Kritik an bestimmten Details. So sieht sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft von Kürzungen bei Pflegehilfskräften, Dokumentationshilfen und IT-Lösungen in Höhe von insgesamt einer halben Milliarde Euro bedroht. Jedoch begrüßen die Kliniken die Verbesserungen im Bereich des Pflegepersonals. Der Verband der Ersatzkassen befürwortet die künftig möglichen Sanktionen bei zu wenig Pflegekräften in den Krankenhäusern. Kritisch sei jedoch, dass die Kosten des Gesetzes - die 2019 bereits 1,7 Milliarden Euro betragen werden - nahezu ausschließlich von Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherungen getragen werden sollen. Zudem sei das Gesetz beim Start schon eine halbe Milliarde teurer als im Referentenentwurf geplant. Kommentar Seite 4