• Berlin
  • Immobilienfirma Akelius

Gemeinsam gegen Mieterhöhungen

Bewohner von Häusern der Immobilienfirma Akelius wehren sich gegen Kündigungen und Modernisierungsumlagen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 6 Min.

Vier Wohnungen stehen leer, nebenan sind es fünf. Die Klingelschilder verraten es. Kürzlich zog aus dem Erdgeschoss der Jonasstraße 21 in Neukölln ein Kiosk aus. Einer Kiezzeitung zufolge ging die Besitzerin in den Ruhestand und schlug dem Vermieter Akelius einen Nachnutzer vor. Das habe die schwedische Immobilienfirma aber abgelehnt. Seit rund zwei Monaten steht nun auch der Laden leer. Genauso wie das Geschäft nebenan unter der gleichen Adresse. Seit mindestens zwei Jahren hängt hier der Rollladen schief. »Das Objekt Jonasstr. befindet sich derzeit in einem renovierungs-/modernisierungsbedürftigen Zustand«, teilt ein Akelius-Sprecher auf Anfrage mit. Ein Großteil der Fenster sei mehr als 30 Jahre alt, die Wasserleitungen müssten erneuert werden. Wann das gemacht werden soll, lässt er offen.

Dass saniert wird, ist allerdings sehr wahrscheinlich. Modernisierung steht bei Akelius ganz oben auf der Agenda. Ende 2017 waren laut Jahresbericht bereits 35 Prozent der Wohnungen im Bestand modernisiert.

Akelius hat in der Jonasstraße noch zwei weitere Häuser. Hier sollen Wohnungen mehr als ein Jahr nicht belegt gewesen sein, so erzählen es ehemalige Mieter. Bei einer geplanten Sanierung kann der Leerstand vom Bezirksamt genehmigt werden. Ist es so weit, bedeutet die sogenannte Modernisierung vor allem höhere Mieten. Viele Altmieter glauben, dass Akelius der Mieterwechsel auf natürliche Art nicht schnell genug geht: Das Unternehmen versuche mit verschiedenen Mitteln, Bewohner mit günstiger - oder besser: angemessener - Miete aus ihren Wohnungen zu drängen. Mehr als 100 Akelius-Mieter haben sich daher zusammengeschlossen, um sich gegen diese Praxis zu wehren.

Akelius hat sich erstmals 2006 in den Berliner Wohnungsmarkt eingekauft. Mittlerweile hat das schwedische Unternehmen, das in den vergangenen Jahren weltweit kräftig zugeschlagen hat, über 12 000 Wohnungen in Berlin - mehr als irgendwo sonst. Laut Jahresbericht 2017 lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis seiner Wohnungen im Januar des Jahres bei 7,63 Euro nettokalt, Ende 2017 wurden neue Wohnungen für durchschnittlich 14,83 Euro vermietet. Das ist fast eine Verdopplung. Die aktuellen Mietpreise auf der Homepage des Unternehmens liegen 14 und 22 Euro nettokalt, einige Wohnungen werden auch für knapp 27 Euro pro Quadratmeter angeboten.

Für die meisten Wohnungen finden sich offenbar Abnehmer - der Mietmarkt gibt es her. Eine Wohnung in Friedrichshain von knapp 27 Quadratmetern beispielsweise wurde Ende Juli auf der Homepage des Unternehmens für 720 Euro nettokalt angeboten. Die Miethöhe liegt damit rund 140 Prozent über dem Mietspiegel, der für eine Wohnung dieser Ausstattung in der Straße gilt. »Wir vermieten umfassend modernisierte Wohnungen mit qualitativ überdurchschnittlicher Sanierungs- und Ausstattungsqualität«, erklärt dazu ein Sprecher. »Dies trifft auf eine hohe Nachfrage.« Die Regelungen der Mietpreisbremse träfen hier »aufgrund der umfassenden Modernisierung« nicht zu. Das stimmt - und zeigt, welch großes Schlupfloch die Mietpreisbremse zulässt.

Marlene Meier aus Neukölln berichtet, dass eine Wohnung in ihrem Haus mit gleicher Quadratmeterzahl doppelt so viel kostet wie ihre. Meier heißt in Wirklichkeit anders. Keiner der Mieter, mit denen »nd« gesprochen hat, möchte seinen Namen in der Zeitung lesen. Sie fürchten negative Reaktionen von Akelius, wenn sie sich kritisch äußern.

Meier weiß, warum sie sich sorgt. Sie hatte ihre Wohnung zeitweise untervermietet - mit Genehmigung. »Plötzlich habe ich einen Brief bekommen. Man habe herausgefunden, dass ein Herr K. in der Wohnung wohnt, die Untervermietung sei aber nur für Frau J. genehmigt.« Akelius setzte Meier eine Frist, um den Untermieter rauszuwerfen, sonst werde ihr gekündigt. Ihre Untermieterin erklärte, K., ihr Lebenspartner, habe einmal einem Handwerker die Tür geöffnet. »Das ließ sich mit ein paar Zeilen vom Mieterverein schnell aus der Welt räumen.« Beunruhigt hat Meier der Vorfall aber schon. Deshalb hat sie sich der Mietervernetzung angeschlossen. »Es gibt den Verdacht, dass Akelius Mieter durch Bauarbeiter und Handwerker ausspionieren lässt«, sagt Meier.

Das dementiert ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage. Ebenso, dass - wie es in einem Artikel einer Mieterzeitung heißt - Mietern gekündigt wurde, die den Namen ihrer Katze auf dem Klingelschild stehen hatten: »Es sind keine Kündigungen aufgrund von Tiernamen auf Klingelschildern erfolgt.« In der entsprechenden Mietwohnung seien »zahlreiche unerlaubte Untervermietungen« festgestellt worden, Nachbarn hätten außerdem auf Verstöße gegen die Hausordnung hingewiesen. »Wir prüfen - auch auf Wunsch und expliziten Hinweis anderer Bewohner - die tatsächliche Nutzung unserer Wohnungen«, so der Sprecher. Er erklärt das mit der Tendenz, Mietwohnungen als Ferienwohnungen unterzuvermieten. »Dies wird von uns regelmäßig geprüft und gegebenenfalls abgemahnt und gekündigt.« Auch die Darstellung über den Kiosk in der Jonasstraße weist der Sprecher zurück. Man habe gemeinsam »zahlreiche Absprachen zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt«, die von der Mieterin »positiv bewertet« worden seien.

Nicht ganz so zufrieden sind Mieter der Reichenberger Straße 114 in Kreuzberg mit der Kommunikation des Unternehmens. Handwerker brachen Anfang des Jahres mindestens ein Kellerschloss auf, um Wasserschäden zu beseitigen. Darüber seien sie nicht informiert worden, erzählen Mieter. Weil der Schaden auch nicht behoben wurde, forderten die Mieter das Unternehmen im April schließlich dazu auf (Schreiben liegt »nd« vor). Akelius habe daraufhin - mit Ankündigung - alle Haustürschlösser ausgetauscht. Ein Sprecher des Unternehmens sagt, die Mieter hätten Akelius darum gebeten. Mit dem aufgebrochenen Kellerschloss stehe der Austausch der Schließanlage »in keinem kausalen Zusammenhang«.

Für Timo Beier aus Pankow hätte eine Auseinandersetzung mit Akelius beinahe zum Rausschmiss geführt. Er hatte nach eigenen Angaben drei Jahre lang der Nebenkostenabrechnung widersprochen und entsprechend weniger gezahlt. Akelius habe nicht darauf reagiert, deshalb nahm er an, die Firma habe den Widerspruch akzeptiert. Dann kam ein Brief mit der Drohung, ihm zu kündigen, wenn er den Fehlbetrag nicht ausgleiche. »Ich habe dann bezahlt, weil ich mir einen Anwalt und einen Gerichtsprozess nicht leisten kann.«

Für Florian Bernhard ging ein Konflikt mit dem Vermieter nicht so glimpflich aus. Im Februar und März zahlte er seine Miete nicht. »Ich habe es vergessen«, sagt er und ergänzt: »Es ging mir nicht so gut.« Die Schuld erkennt er an. Akelius schrieb ihm im April: Er habe die Wohnung innerhalb von zwei Wochen zu verlassen. Weil er sofort zahlte, wurde die fristlose Kündigung hinfällig, die fristgerechte Kündigung blieb aufrecht erhalten. Und nicht nur das: Akelius reichte parallel eine Räumungsklage ein. Unnötigerweise, fand Bernhard. Er habe im Gespräch mit einer Mitarbeiterin lediglich gefragt, ob es möglich sei, länger zu bleiben, weil er fürchtete, keine Wohnung innerhalb von drei Monaten zu finden. Akelius habe das so ausgelegt, dass er nicht habe ausziehen wollen.

Wegen schlechter Erfahrungen im Mieterbüro nahm sich Bernhard Zeugen mit, darunter auch einen Vertreter der Mietervernetzung. Solidarität, Unterstützung und öffentlicher Druck - das sind die Ziele der Initiative, die sich Anfang dieses Jahres gegründet hat. Im April verteilten Mitglieder Flyer in Akelius-Häusern. »Bis zur großen Mietendemo am 14. April hatten wir rund 9000 Haushalte erreicht«, erzählt Heike Bauer, die schon früh an der Vernetzung beteiligt war. Am 6. Mai organisierte die Initiative eine Mieter-Vollversammlung, zu der 100 Menschen kamen. Im August ist die dritte Vollversammlung geplant.

In der Zwischenzeit tauschen sich die Mieter über eine Webseite und einen E-Mail-Verteiler aus. Viele hätten berichtet, dass es ihnen Mut mache, von der Vernetzung zu wissen. »Nachbar*innen in Akelius-Häusern organisieren sich seitdem mehr miteinander«, sagt Bauer. Dadurch seien die Bewohner besser über ihre Rechte informiert. Durchsetzen will die Initiative die Einhaltung der ortsüblichen Vergleichsmiete und einen Modernisierungsstopp für die nächsten 20 Jahre. »Wir wollen Druck auf Akelius ausüben, damit das Unternehmen die Mietpreise nicht weiter in die Höhe schraubt.«

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