»In Gedanken läufst du neben mir«

Der Weg durch Peru führte Robby durch viele Höhen und Tiefen: Er musste seinem Freund Marco für immer Lebewohl sagen und durfte seinen Freund Ralf wieder in die Arme schließen

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 7 Min.
Die letzte Begegnung mit einem Freund: Marco und seine Mutter Maud verabschiedeten Robby in Grönland
Die letzte Begegnung mit einem Freund: Marco und seine Mutter Maud verabschiedeten Robby in Grönland

Die Zeit rast – fast zwei Monate ist es her, dass ich zum letzten Mal mit Robby telefoniert habe. Inzwischen hat er nicht nur ein paar Hundert Kilometer durch Peru entlang der Panamericana – dem Highway, der sich insgesamt 25 750 Kilometer durch Nord- und Südamerika erstreckt – zurückgelegt, sondern musste dabei auch viele Höhen und Tiefen durchschreiten.

Völlig überraschend starb am 18. Juli sein Freund – und Tourunterstützer – Marco Mittag, er war erst 43 Jahre alt. Marco, Gründer und Geschäftsführer des lokalen Fernsehsenders Burgenland Regional TV, hat nicht nur die Vorbereitung der Tour vom Nordpol zum Südpol zu Fuß medial eng begleitet, er reiste auch extra nach Grönland, um seinen Freund Robby dort persönlich auf den Weg zum Südpol zu verabschieden. Damals machten beide aus, dass sie sich in Santiago de Chile wieder treffen wollten, um am Ende der Tour noch einige gemeinsame Projekte zu verwirklichen. Im Oktober wäre es soweit gewesen, Marcos Flug war bereits gebucht. »Ich konnte es nicht fassen, als ich von seinem Tod gehört habe«, sagt Robby. »Wir hatten noch so viel gemeinsam vor.« Auf seiner Facebookseite veröffentlichte Robby folgenden Nachruf:

»Du hast mich bei all meinen Touren und Abenteuern mit deiner geliebten Kamera begleitet, was haben wir gemeinsam für fantastische Dinge sehen und erleben dürfen, wir haben gelacht und geweint. Ab Oktober wollten wir gemeinsam Richtung Südpol unterwegs sein, doch Du lebst nicht mehr, bist einfach gegangen, ohne dass wir uns verabschieden konnten. Du wirst uns sehr fehlen mein Freund. Ich widme Dir ab jetzt diesen Lauf vom Nordpol zum Südpol, alles was ich sehe und erlebe, werde ich Dir zu deinem Schnittplatz im Himmel senden und wenn wir uns da alle wiedersehen, wirst du uns deinen Film zeigen. Auch wenn Du jetzt nicht mehr da bist, wir werden trotzdem gemeinsam auf der Zielgeraden das Ziel erreichen. In Gedanken läufst du neben mir mein Freund, mach‘s gut, du bleibst für immer in meinem Herzen. Ich verneige mich vor einem großartigen Menschen und Freund!«

Wie froh war Robby, als er wenige Tage später einen anderen – auch den Leserinnen und Lesern dieses Blogs bereits bekannten – guten Freund wieder in die Arme schließen konnte: Ralf, mit dem er am Anfang der Tour schon so manches Abenteuer erlebte. Er war der erste, der »Franky« fuhr, litt aus der Ferne mit, als das Begleitfahrzeug gleich zweimal nacheinander unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurde. Deswegen war es sicher auch kein Wunder, dass Ralf nicht nur allerhand Sachen für seinen Freund Robby aus Deutschland mitbrachte, sondern auch ein paar Aufkleber für »Franky« zum Aufhübschen. Inzwischen sitzt Ralf wieder am Steuer von »Franky«, und hofft, dass nicht nochmals ein »Träumer« dessen Weg kreuzt und ihm ein paar Dellen verpasst.

Endlich: Robby holt Ralf am Flughafen ab.
Endlich: Robby holt Ralf am Flughafen ab.

Ralf wird Robby nun bis zum Ende der Tour begleiten. »Wenn alles nach Plan läuft, sind wir spätestens zum Jahreswechsel wieder zu Hause«, sagt Robby, und man merkt ihm an, dass die Vorstellung, das Ziel schon bald erreicht zu haben, bei ihm sehr gemischte Gefühle auslöst. »Auf der einen Seite freue ich mich auf den Tag, an dem ich endlich meine Familie und viele andere wieder in die Arme schließen kann, auf der anderen Seite genieße ich jeden Tag unterwegs, die Begegnungen mit so vielen Menschen, das Abenteuer, die fantastischen Landschaften und möchte, dass es nie aufhört«, sagt er. Doch längst schon denkt er auch an die Zeit danach. »Ich werde Bücher über die Tour schreiben und bin bereits mit dem Verlag im Gespräch, und ich werde in den nächsten Jahren an viele Orte, die ich auf meiner Tour kennengelernt habe, zurückkehren, um Vorträge zu halten und an bestimmten Projekten mitzuarbeiten. Auch dazu gibt es schon konkrete Terminvereinbarungen.«

Doch bis dahin ist es noch ein Weilchen hin. Zur Zeit ist er noch immer in Peru. Sein nächstes großes Ziel ist Arequipa, die zweitgrößte Stadt Perus, die er in etwa 20 Tagen erreicht haben will. Dort legt Robby erst mal wieder ein »Päuschen« für einen Abstecher zum Titicacasee ein, den mit 8288 Quadratkilometern größten Süßwassersee Südamerikas, in den der Bodensee rund 16 mal hineinpassen würde. »Ich habe in Lima einen Deutschen kennengelernt, der seit vielen Jahren in Peru lebt und Reisen durchs Land anbietet. Als ich ihm erzählte, dass ich ohnehin vorhabe, den berühmten Titicaca zu besuchen, vermittelte er mir einen Kontakt mit dort lebenden Fischern. Inzwischen ist alles abgesprochen, Ralf und ich werden die Fischer besuchen, die uns herzlich zu sich eingeladen haben. Ich freu mich schon darauf, mit ihnen auf den See hinauszufahren und natürlich auch darauf, Fisch nach peruanischen Rezepten zu essen.«

Fantastisch: Sonnenaufgang über dem Machu Picchu
Fantastisch: Sonnenaufgang über dem Machu Picchu

Wie diese Begegnung dem Zufall zu verdanken sein wird, waren es in der Vergangenheit sehr viele. Immer brachten sie Robby mit Menschen zusammen, die ihm ein Stück von ihrer Heimat und ihrer Kultur zeigten und erzählten, Menschen, die Robby mit vielen neuen Eindrücken und als Freunde verließ. In einem der letzten Blogeinträge erzählte ich davon, dass Bekannte aus Bogota – eine Pfarrersfamilie, die ihm spontan ihr Haus für mehrere Tage überlassen hatte – Robby an einen Verwandten »weiterreichten«, der in Cusco in Peru ein Reiseunternehmen führt. Der erarbeitete für Robby und Ralf ein touristisches Programm in Peru vom Allerfeinsten. »Ich war überwältigt«, erzählt Robby. »Ein ganz besonderes Highligt war der Besuch des Machu Picchu, der weltberühmten Ruinenstadt der Inkas. Schon vor Beginn meiner Tour hatte ich mir vorgenommen, sie unbedingt zu besuchen, nun bin ich glücklich, dass ich diesen unvergleichlichen Ort gesehen habe. Wir sind früh um vier Uhr losgelaufen, stiegen rund drei Kilometer Treppen hoch, das war ein besonderes und ein besonders anstrengendes Training, aber es hat sich gelohnt. Als wir oben ankamen, ging gerade die Sonne über der Inka-Stätte auf, diesen Anblick werde ich nie wieder vergessen. Um diese Zeit sind die wenigen Frühaufsteher dort noch allein, die meisten Besucher kommen mit dem Bus und auch erst gegen 11 Uhr. Fasziniert schaute ich von einer Anhöhe auf die Stadt und dachte dabei an meinen Freund Marco. Ein magischer Moment, der schön und traurig zugleich war.«

Robby und Ralf beim gemeinsamen Tanz mit peruanischen Dorfbewohnern

Noch liegen ein paar Wochen in Peru vor Robby, Ralf und »Franky«, bevor sie die Grenze nach Chile, ihrem letztes Land auf dem Weg zum Südpool, überschreiten. Allerdings kehrt Robby am 28. Oktober nochmals für einen Tag nach Peru zurück, um auf gemeinsame Einladung des deutschen Botschafter in Peru, der Deutsch-peruanische Industrie- und Handelskammer, der deutschen Alexander-von-Humboldt-Schule in Lima und der evangelischen Kirchengemeinde in Lima während des dort alljährlich gefeierten Oktoberfestes am Nachmittag einen Vortrag über sein Leben und seinen Weg vom Nordpol zum Südpol zu Fuß zu halten. Am Vormittag wird der Extremläufer gemeinsam mit Kindern aus aller Welt laufen, darauf freut er sich besonders.

Bis dahin läuft er täglich seinen Marathon – immer Richtung Südpol. Ein Leser fragte mich übrigens neulich, ob ich wüsste, wie viele paar Schuhe Robby seit dem Start im April 2017 schon verschlissen hat. Wusste ich nicht, jetzt aber kann ich die Antwort nachtragen: »Rund 20 Paar«, sagte er mir, »weggeworfen ist keines. Alle Schuhe werden ab dem nächsten Jahr in dem Museum zu finden sein, das ich nach meinem Lauf in meinem Heimatort Hohenmölsen einrichten will. Dass ‚Franky‘ dort einen Ehrenplatz bekommt, versteht sich von selbst.«

Doch ehe das Fahrzeug dort für immer einparkt, darf es noch ein paar Hundert Kilometer südwärts rollen. Dafür wünsche ich ihm eine unfallfreie Fahrt und jederzeit einen crashsicheren Abstand zum vor und hinter ihm fahrenden Auto. Robby und Ralf wünsche ich viel Glück auf dem weiteren Weg und nur Begegnungen der besonders schönen Art. Und, lieber Robby, am 16. August stoße ich symbolisch mit Dir auf Deinen - wie Du Dein Alter so exakt benennst - »wiederholt stattfindenden 49. Geburtstag« an: mit einem Mineralwasser mit doppelter Kohlensaäure. Viel Glück Ihr beiden und bis bald mal wieder.

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