nd-aktuell.de / 17.08.2018 / Sport / Seite 19

Der Herr Direktor

Die Fußball-EM 2024 ist noch nicht vergeben, im Fall eines Zuschlages für Deutschland will der Ex-DFB-Kapitän Philipp Lahm Chef der Organisationskomitees werden

Martin Beils

Wenn nicht er, wer sonst? Philipp Lahm soll Organisationschef der Fußball-Europameisterschaft 2024 werden, falls Deutschland am 27. September im schweizerischen Nyon den Zuschlag für das Turnier erhält. Die EM hat damit ein Gesicht, bevor entschieden ist, wo sie stattfindet. Einziger Konkurrent des Deutschen Fußball-Bundes ist die Türkei. Auch wegen der Affäre um Mesut Özil ist die Entscheidung zum Politikum geworden.

Der DFB bestätigte die Personalie Lahm am Donnerstag. Zuvor hatte der »Kicker« gemeldet, dass der 113-malige Nationalspieler seine Zusage gegeben habe. In seiner neuen Funktion werde Lahm als nachrückendes Mitglied dem DFB-Präsidium angehören und seine Erfahrung auch bei sportlichen Themen in die Gremien einbringen, teilte der Verband mit.

»Es war von Beginn meiner Tätigkeit als Botschafter für die Euro 2024 an ein Wunsch, langfristig Verantwortung zu übernehmen. Die neue Aufgabe als Turnierchef bietet mir eine sehr interessante Möglichkeit dazu«, sagte der 34-Jährige, der in den vergangenen Monaten für die Ausrichtung der zweiten EM nach 1988 in Deutschland geworben hatte. Die exakten Aufgaben des OK-Chefs wird der DFB nach Vergabe in Abstimmung mit der UEFA festlegen.

Der DFB gewinnt damit einen international angesehenen Sympathieträger als Frontmann für das Turnier. Gleichzeitig erhöht er die sportliche Kompetenz in seinen Spitzengremien, so wie es unter anderen Vertreter der Bundesliga nach dem Vorrunden-Aus der Nationalelf bei der WM in Russland verlangt hatten. DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte, »die Entscheidung, Philipp Lahm langfristig an den Verband zu binden«, sei »in enger Abstimmung und mit breiter Zustimmung des DFB-Präsidiums und Vertretern aus der Bundesliga gefallen«.

Zuletzt war der DFB in Sachen EM in die Defensive geraten. Deutschland hatte mit der Werbefigur Lahm auch auf Themen wie Pressefreiheit und Menschenrechte gesetzt - in Abgrenzung zur Türkei. Die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurden für Grindel deshalb zum PR-Desaster. Unter den 18 wahlberechtigten UEFA-Funktionären hat der DFB wohl noch eine knappe Mehrheit, aber gerade die osteuropäischen Delegierten gelten als potenzielle Türkei-Unterstützer. Für Lahm ist der Schritt in die Sportpolitik die konsequente Fortsetzung seiner Bilderbuch-Karriere. Als Kapitän führte er die deutsche Nationalmannschaft 2014 zum Weltmeistertitel, drei Jahre später beendete er seine Laufbahn beim FC Bayern München, obwohl er noch auf hohem Niveau hätte weiterspielen können. Der verheiratete Vater von zwei Kindern stieg in fünf Unternehmen ein und widmete sich seiner Stiftung für Bildung und Sport.

An Karrierebewusstsein hat es dem meist als brav daherkommenden Lahm nie gemangelt. Als Michael Ballack 2010 für die WM in Südafrika verletzt ausfiel, reklamierte Lahm das Kapitänsamt für sich. In einem nicht mit dem Verein abgestimmten Interview in der »Süddeutschen Zeitung« griff er 2011 den FC Bayern wegen einer angeblich fehlenden Fußballphilosophie an, anschließend übte er in einem Buch Aufsehen erregende Kritik an früheren Trainern. Während er als ARD-Experte die Nationalmannschaft während der WM in Russland zurückhaltend bewertet hatte, bemängelte er den Führungsstil von Bundestrainer Joachim Löw im Netzwerk LinkedIn.

Zu Franz Beckenbauer - als OK-Chef der WM 2006 so etwas wie Lahms Vorgänger - ging er auf Distanz, als die Vergabe des »Sommermärchens« immer mehr in Verruf geriet. Anfang des Jahres sagte Lahm über Beckenbauer: »Er hat auch die WM nach Deutschland gebracht, was für das Land hervorragend war. Aber man muss Grenzen einhalten. Und jeder ist für sein Handeln selbst verantwortlich.« dpa