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Uni-Leitung verklagt Studierende

Referent*innen sind besorgt über antidemokratische Entwicklungen an Universitäten

  • Julia Boving
  • Lesedauer: 3 Min.

»Vor wenigen Tagen haben wir, die Vertreter*innen des Referent*innenrates (RefRat) der Humboldt-Universität (HU), uns nun einen Anwalt genommen«, berichtet João Fidalgo, Referent für Finanzen dem »nd«. Sie wehren sich gegen ein Ansinnen der Uni-Leitung, der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus die Namen der Mitglieder des RefRats offenzulegen.

Am 24. Juli hatte die Universitätsleitung unter Präsidentin Sabine Kunst eine entsprechende Auskunftsklage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Die Referent*innen wehren sich ebenfalls mit juristischen Mitteln. »Der drastische Weg der Klageerhebung hat uns gezeigt, dass es hier um mehr geht, als die geforderte Namensliste. Die Unileitung versucht auf Druck der Öffentlichkeit, die Autonomie der selbstverwalteten Studierendenschaft zu beschneiden«, erklärt Fidalgo, der an der HU seinen Master in Philosophie macht.

Der Referent*innenrat (so heißt der Allgemeine Studierendenausschuss AStA der HU) ist die Exekutive des Studierendenparlaments. Er übernimmt die politische Interessenvertretung der Studierenden, bietet darüber hinaus Beratungen zu allen relevanten Themen für Studierende an. Die Referent*innen engagieren sich ehrenamtlich und erhalten dafür eine Aufwandsentschädigung.

Das Fass zum Überlaufen brachte eine Schriftliche Anfrage des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer an das Abgeordnetenhaus. Die mehr als 40 Fragen bezogen sich auf den RefRat der Humboldt-Universität sowie die ASten der Freien und der Technischen Universität Berlin. Neben Angaben zur Organisation und Finanzierung wurden die vollen Namen und Zuständigkeitsbereiche der Referent*innen der letzten zehn Jahre der Universitäten erfragt.

Ausgelöst wurde die Anfrage durch eine Recherche der unabhängigen HU-Studierendenzeitung »UnAufgefordert« zu intransparenter Arbeit im RefRat. »Der Artikel vom November 2017 hat gezeigt, dass es bitter nötig ist, die Namen der gewählten Referentinnen und Referenten an der HU öffentlich zu machen, um eine effektive Kontrolle des RefRats zu ermöglichen und auch belastbar ausschließen zu können, dass Amtszeitüberschreitungen und Postengeschacher sich in Zukunft wiederholen«, erklärt Trefzer auf Anfrage.

Der Artikel der Uni-Zeitung brachte neben Berliner Lokalpolitiker*innen auch das Präsidium der Humboldt-Universität auf den Plan. Dieses forderte eine vollständige Namensliste der Referent*innen. »Für die HU gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, dass Personen, die sich erfolgreich um ein Wahlamt beworben haben, auch bekannt sind«, sagt der stellvertretende Pressesprecher der HU, Boris Nitzsche, dem »nd«. »Wir vertreten die Auffassung, dass gewählte RepräsentantInnen grundsätzlich erkennbar sein müssen.«

Zur Recherche der Uni-Zeitung nahm der RefRat auf seiner Internetseite Stellung und legte dar, dass von derzeit 26 Referent*innen nur fünf bereits vorher ein Amt innehatten. Darüber hinaus würden die Vertreter*innen in demokratischen Wahlen vom Studierendenparlament ernannt. Zu den Vorwürfen des Präsidiums sagt Fidalgo: »Die Referent*innen sind sowohl der Unileitung als auch den Studierenden der HU namentlich bekannt und können sonst mit zwei Klicks im Internet ermittelt werden. Das schaffen auch die Mitarbeiter*innen der Universität und der AfD.«

Der Finanzreferent erklärt weiter, dass sich der RefRat dazu bereit erklärt hätte, die Namensliste unter bestimmten Bedingungen der Hochschulleitung auszuhändigen. »Wir wollten sichergehen, dass unsere Datenschutzbedenken ernst genommen werden. Eine derart konkrete Nachfrage von der AfD wirkt erst mal einschüchternd.« Die Referent*innen bedauern, dass die Universitätsleitung der Humboldt-Universität dem Druck der AfD nachgegeben habe und juristische Mittel gegen die eigenen Studierenden ergreife. »Die Leitungen der Freien und Technischen Universität haben die Datenschutzbedenken ihrer Studierenden akzeptiert«, erklärt Fidalgo.

Der Wirbel um die Namensliste sei aber nur die Spitze des Eisbergs. »Worum es hier geht, ist Kontrolle durch Parteien und Personen, denen sie nicht zusteht«, erklärt Bafta Sarbo Referentin für Hochschulpolitik. »Die Klage gegen den RefRat ist der derzeitige Höhepunkt in einer Reihe antidemokratischer Entwicklungen an deutschen Hochschulen zum Nachteil der Autonomie der Studierendenschaft«, schließt João Fidalgo.

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