Alter, Armut, Ärztemangel

Anfrage der Lichtenberger LINKEN zeigt: Immer mehr Rentner brauchen Sozialhilfe

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 20 Prozent der Bevölkerung im Bezirk Lichtenberg sind über 65 Jahre alt - Stand Juni 2017. 2082 von ihnen erhalten Grundsicherung im Alter, befinden sich also im Leistungsbezug nach dem zwölften Sozialgesetzbuch. Weil die Rente nicht zum Leben reicht. Diese 2082 Menschen machen 3,7 Prozent der über 65-jährigen Bevölkerung aus. Diese Zahl ist seit 2013 um ein Viertel angewachsen. Dies geht aus der Antwort des Bezirksamts Lichtenberg auf eine Große Anfrage der Linksfraktion hervor, die »nd« exklusiv vorliegt.

»Die Zunahme von Altersarmut auch in Lichtenberg ist besorgniserregend«, sagt Norman Wolf, Fraktionsvorsitzender der Lichtenberger LINKEN. »Der Staat stiehlt sich mit Armutsrenten aus der Verantwortung für seine älteren Mitbürger*innen. Das ist beschämend.« Altern in Würde hieße auch, nicht auf das Sozialamt angewiesen sein zu müssen, meint Wolf.

Der LINKEN-Politiker sieht die sich immer weiter verhärtende Lage auf dem Wohnungsmarkt als Ursache für Altersarmut. »Steigende Mieten sind Teil des Problems, denn die Miete frisst in vielen Fällen schon einen Großteil der Rente.« Aus diesem Grund seien viele Rentner*innen auf Sozialhilfe angewiesen.

Die Lage könnte sich künftig noch verschlimmern: Laut einer im April veröffentlichten Studie des Pestel-Instituts zum Thema Wohneigentum werden 35 bis 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die jetzt im Alter von 45 bis 55 Jahren sind, mit weniger als 800 Euro pro Monat in Rente gehen. Davon sollen diese dann die wuchernden Berliner Mietpreise zahlen. Laut dem Institut besteht »die Gefahr eines erheblichen Sprungs in der Mietbelastung mit Erreichen des Ruhestands auf 50 Prozent und mehr des Nettoeinkommens.«

»Mit der Rente sackt für diese Menschen das Geld, das sie monatlich zur Verfügung haben, rapide nach unten. Gleichzeitig sind Miete, Heiz- und Nebenkosten aber weiterhin fix«, sagt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Gegen die »Gefahr, sich arm zu wohnen« schlägt Günther eine staatliche Wohneigentumsförderung vor. Auftraggeber der Studie war das »Verbändebündnis Wohneigentum«, in dem sich mehrere Bau- und Immobilienverbände zusammengeschlossen hatten.

Mit Besorgnis sieht die Linkspartei auch den Rückgang der ärztlichen Versorgung im Bezirk. So gibt es in einigen Quartieren wie der Rummelsburger Bucht weder eine Augen- und Hausarztpraxis, noch Internisten oder Orthopäden. »Die Ärzteversorgung, insbesondere die Versorgung mit Hausärzten, ist in Lichtenberg ein Problem«, sagt Bezirksbürgermeister Michael Grunst. Vor Kurzem sei dies auch Gegenstand eines Gesprächs zwischen Bürgermeister und Gesundheitsstadträtin mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gewesen. Leider sähe auch die KV keine schnelle Lösung für das Problem, so Grunst.

Norman Wolf fordert, die medizinische Versorgung schon bei der Planung von Neubauten zu berücksichtigen. »Das muss städtebaulich mitgedacht werden«, sagt Wolf dem »nd«. »Es wird nur zum Wohnen gebaut, ohne dabei darauf zu achten, dass die Menschen in den Quartieren, besonders wenn sie älter werden, auch zum Arzt gehen müssen.«

Die Bezirkslinke hatte dazu bereits in der Vergangenheit vorgeschlagen, Medizinische Versorgungszentren in kommunaler Hand zu gründen, um die Versorgungslücke zu schließen. Die dort beschäftigten Ärzte - mindestens zwei pro Zentrum - wären von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unabhängig. Wolf unterstützt die Idee: »Es muss eine vernünftige medizinische Infrastruktur geschaffen werden.«

Oliver Lenz vom Sozialdienst der Volkssolidarität Berlin kennt aus seiner Arbeit noch einen weiteren Effekt des Ärztemangels: »In unserer Umgebung gibt es zwar genug Praxen, diese sind aber völlig überfüllt«, berichtet Lenz aus Hohenschönhausen. Für viele Ältere sei es schwierig, überhaupt einen Hausarzt zu finden, der noch Neupatient*innen annimmt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal