Weltpolitik in Buxtehude

In der niedersächsischen Stadt drängt die LINKE auf die Ausrufung von Friedenswochen

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Buxtehude gibt es wirklich. Was den ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss kurz sprachlos machte, als er in den 1950er Jahren im Hamburger Umland ein Straßenschild »Buxtehude« entdeckte, soll auch ein halbes Jahrhundert später noch manchen Zeitgenossen überraschen. Dabei ist Buxtehude mit gut 40 000 Einwohnern kein kleines Städtchen - auch wenn diverse Sprichwörter und Märchen, die sich um die Hansestadt ranken, den Eindruck ländlicher Verschlafenheit suggerieren. So entstand hier die Mär »Der Wettlauf zwischen Has‘ und Swinegel auf der lüttjen Heide bei Buxtehude«. Und auch die regionale Zuordnung, »Buxtehude liegt dort, wo die Hunde mit dem Schwanz bellen«, trug dazu bei.

Ländlich-friedlich geht es sicherlich zu in Buxtehude, wenn man in der Altstadt zwischen viel Fachwerk ein Bierchen trinkt. Doch in der Stadt beschäftigt man sich durchaus mit der großen Politik. So etwa Benjamin Koch-Böhnke und Klemens Kowalski, ein Lagerlogistiker und ein IT-Systemspezialist. Beide sitzen im Stadtrat, bilden hier die Fraktion der LINKEN und brachten einen Antrag ein: Die Stadt solle fortan stets um den Weltfriedenstag am 1. September herum eine Buxtehuder Friedenswoche ausrufen. »Was genau bedeutet eigentlich Frieden, wie zerbrechlich ist er und wie findet er im Alltag statt«, fragen die beiden Ratsherren: Sie schlagen vor, dass zum Friedenskomplex Schüler Theaterstücke aufführen, Buchhandlungen Autoren verpflichten und Vereine zu Kunstausstellungen, Filmabenden und Diskussionsrunden einladen sollten.

Jährlich könne die Friedenswoche unter einem anderen Motto stehen, sagt Koch-Böhnke, der auch die LINKE-Fraktion im Kreistag Stade leitet. Denn Frieden bedeute nicht nur »kein Krieg sondern auch, dass die Menschen in ihrem Alltag auf Gewalt verzichten und stattdessen Respekt, Toleranz, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft leben. Und da Frieden jeden betrifft, kann auch jeder mitmachen.« Immerhin trat Buxtehude 2017 der Bewegung »Mayors for Peace« (Bürgermeister für den Frieden) bei - ein internationales Netzwerk, das 1982 der Bürgermeister von Hiroshima ins Leben rief, um weltweit Kernwaffen zu bannen. Doch dann dürfe man sich auch »nicht darauf beschränken, lediglich einmal im Jahr die Flagge zu hissen«, so Koch-Böhnke. Noch kam aus dem Buxtehuder Rathaus keine offizielle Reaktion. Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt, die sich zwar parteilos gibt, bei Wahlen aber die CDU geschlossen hinter sich weiß, will ihre Stadt lieber ökologisch profilieren. So bewirbt die Verwaltung stattdessen die öffentlichen Putz- und Müllaktionen, die unter der Parole »Sauberhaftes Buxtehude« ebenfalls am 1. September stattfinden, oder die 3. Ökomesse »Vor Ort Fair-Ändern« tags darauf. Oder man feiert die 107 375 Kilometer, die die Buxtehuder beim diesjährigen Stadtradeln im Juni zurücklegten, indem sie dafür drei Wochen lang ihre Autos stehen ließen.

In der letzten Oktoberdekade kokettiert die Stadt zudem mit ihrem märchenbehafteten Ruf: Zum zweiten Mal nach 2016 organisieren ambitionierte Gruppen, Vereine und Privatpersonen ein Internationales Märchenfestival ein. Fast überflüssig zu erwähnen, dass sich Buxtehude damit als Aktivposten an der Deutschen Märchenstraße sieht. Zudem vergibt man seit 1971 die mit 5000 Euro dotierte »Buxtehuder Bulle« für das beste erzählende Jugendbuch des Vorjahres in deutscher Sprache.

Auch die LINKE in Buxtehude unterstützt solche Projekte, doch sieht sie sich zudem als eine Art soziales Gewissen der Region. So sucht man im Moment gerade das Gespräch mit Gewerkschaft, Altstadtverein und Kirchen, um im Interesse der Beschäftigten die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage zu begrenzen. Man streite auch für einen »sozialeren Kreishaushalt«, der mehr kleine Mittelständler vor Ort bezuschusst als große Wirtschaftsnetzwerke und Konzerne im Raum Hamburg, sagt Benjamin Koch-Böhnke.

Regelmäßig bitten die beiden Ratsherren zusammen mit dem LINKE-Ortsvorsitzenden Frank Hundertmark zum politischen Stammtisch. Wohl auch deshalb legt die Partei seit Jahren zu. Saß sie nach den Wahlen 2006 und 2011 noch mit einem Abgeordneten im Buxtehuder Stadtrat, sind es seit 2016 zwei.

Mit Klemens Kowalski kandidierte einer von ihnen auch für die Bundestagswahl 2017 und fuhr dabei respektable 5,3 Prozent der Erststimmen ein. In Sachen Friedenswoche werden die LINKE-Ratsherren nicht locker lassen.

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