Blackbox Schufa

Tabea Rößner über eine undurchsichtige Auskunftsdatei und wie Bürgerinnen und Bürger sie reformieren können

  • Tabea Rößner
  • Lesedauer: 4 Min.

Alles begann mit einem Brief von meiner Bank, den ich in meiner Zweitwohnung in Berlin im Briefkasten vorfand und über den ich mich sehr wunderte. Denn ich habe meine Berliner Adresse außer beim Meldeamt nirgendwo angegeben. Mein Hauptwohnsitz ist in Mainz, Kontoauszüge, Rechnungen und sonstige Post lasse ich mir dorthin schicken. Meine Recherche brachte Folgendes zutage: Ein Vertragspartner der Schufa hatte der Auskunftei meine Berliner Adresse übermittelt, und diese hatte dann allen Banken, bei denen ich ein Konto habe, die Berliner Wohnung fälschlicherweise als meine neue Adresse mitgeteilt. Die Aufklärung dieses merkwürdigen Falls - erst mal herauszufinden, was genau geschehen war und dann die falschen Daten korrigieren zu lassen - kostete mich viel Zeit und Nerven.

Es gibt sehr viele Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich. Sie alle können ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, einmal bei der Schufa gespeicherte Daten löschen oder korrigieren zu lassen. Wer Opfer von Betrug oder Identitätsdiebstahl geworden ist oder nicht mehr aktuelle Daten wie abbezahlte Kredite oder nicht mehr aktuelle Kreditkarten löschen lassen will, kann Monate damit verbringen, bei Vertragspartnern der Schufa darum zu betteln, dass entsprechende Informationen aktualisiert werden. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es undurchsichtig, woher die Daten von Auskunfteien wie der Schufa stammen, an wen sie gegangen sind und bei welchen Firmen sie überall gespeichert sind.

Das übergeordnete Problem hierbei sind das Diskriminierungspotenzial, das in den Schufa-Datensätzen der Bürgerinnen und Bürger steckt, und die Frage, inwieweit die Schufa-Algorithmen über gesellschaftliche Teilhabe entscheiden. Aus dem System Schufa kann man nicht aussteigen, ohne von der Teilhabe am Geschäftsleben ausgeschlossen zu werden. Handyverträge, Konten, Kredite, Wohnungsbewerbungen - überall ist eine Bonitätsüberprüfung Voraussetzung, was Betroffene oft gar nicht wissen.

Ein schlechter Schufa-Score kann dramatische Auswirkungen auf das eigene Leben haben. Für die Betroffenen ist völlig unklar, wie die Algorithmen der Auskunfteien die erhobenen Merkmale gewichten. Welche Bedeutung haben häufige Umzüge, das eigene Alter oder mehrere Kreditkarten? Ist man vielleicht von Geoscoring, also der unterschiedlichen Bewertung nach dem Wohnort, betroffen? Die Menschen haben das Gefühl, dass ihnen die Kontrolle über ihre Daten entgleitet. Sie können nicht mehr nachvollziehen, was Auskunfteien wie die Schufa mit ihren Daten machen und was das für ihr Leben bedeutet. Eines der wichtigsten Anliegen einer guten Verbraucherschutzpolitik muss deswegen sein, den Bürgerinnen und Bürgern wieder Souveränität über ihre eigenen Daten zu geben.

Wir Grüne fordern daher seit Jahren, dass Auskunfteien nur Daten speichern dürfen, die für die Bonitätsauskunft zwingend erforderlich und nicht diskriminierungsgeeignet sind, und einer jährlichen Informationspflicht unterliegen. Betroffene müssen Daten leichter korrigieren lassen können. Außerdem verlangen wir eine stärkere Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden. Denn Algorithmen wie die der Schufa müssen diskriminierungsfrei, korrigierbar und überprüfbar sein.

Bei all diesen Punkten ist einiges im Argen. Beispielsweise bezahlt die Schufa die Gutachten für ihre Überprüfung selbst. Bei Auskunfteien im Ausland werden schon heute Echtzeitdaten verwendet, das heißt die verwendete Datenbasis wird immer größer und dynamischer. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auch die Schufa dahin entwickelt.

Deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie eine sinnvolle Algorithmenkontrolle aussehen kann. Initiativen wie OpenSCHUFA leisten einen wichtigen Beitrag, weshalb ich sie gerne unterstütze und meine Daten gespendet habe. Damit soll der Algorithmus der Schufa entschlüsselt und herausgefunden werden, welche Merkmale in den Schufa-Score einfließen und wie diese gewichtet werden. Unabhängig von den Erfolgschancen schafft die Initiative es aus meiner Sicht auf jeden Fall, denjenigen eine Stimme zu geben, die sich bisher der Schufa gänzlich ausgeliefert fühlen. Wer auch einen Beitrag leisten möchte, den kann ich nur ermutigen, sich unter openschufa.de zu informieren und seine anonymisierten Daten zu spenden.

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