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Kim begrüßt Moon in Pjöngjang

Beide Koreas wollen ein Friedensabkommen noch in diesem Jahr, die Wirtschaft hofft auf Investitionsmöglichkeiten

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

Südkoreas Präsident Moon Jae In und eine rund 200-köpfige, hochkarätige Wirtschaftsdelegation aus dem Süden sind am Dienstagmorgen zu einem dreitägigen Besuch in Pjöngjang eingetroffen, der die Nordkorea-Diplomatie neu anwerfen soll. Der nordkoreanische Regierungsführer Kim Jong Il und seine Frau Ri Sol Ju begrüßten Moon und dessen Gatten herzlich beim Flugzeug. Es war das erste Mal, dass Kim persönlich Besucher am Flughafen empfing, seit der nordkoreanische Jungführer im Jahr 2011 die Macht übernommen hat.

Auf dem Weg von Pjöngjangs Sunan Flughafen in die Stadt säumten Zehntausende die Straßen, um Moon in der nordkoreanischen Hauptstadt willkommen zu heißen. Sie winkten mit Blumen und riefen Slogans zur Vereinigung, als die Führer in einem offenen Auto durch die Stadt fuhren.

Es ist der dritte Besuch eines südkoreanischen Regierungsführers im nördlichen Geschwisterstaat und zugleich das dritte Treffen zwischen Moon und dem nordkoreanischen Staatsführer Kim Jong Un. Wenn die beiden zusammensitzen, wird es um mehr gehen als nur die Wiederbelebung der Diplomatie, die seit dem historischen Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Trump im Juni an der anfänglichen Euphorie eingebüßt hat. Moon steht unter Erwartungsdruck. Kim erwartet von ihm konkrete Vorschläge, wie noch in diesem Jahr ein formelles Friedensabkommen abzuschließen, das auch die USA zu respektieren hätten. Diese wiederum wollen erst konkrete Schritte Nordkoreas in Richtung Demontage des Atomarsenals sehen, bevor sie Pjöngjang entgegenkommen.

Kim und Moon verfolgen beim Treffen in der nordkoreanischen Hauptstadt ein gemeinsames Hauptziel: die Ausarbeitung einer Erklärung, die noch in diesem Jahr das Ende des Korea-Krieges beschließen soll. Obwohl kein rechtsverbindlicher Vertrag, würde ein solcher Durchbruch weitreichende Folgen haben. Unter anderem würde der Druck auf die USA wachsen, ihre Truppen aus dem Süden abzuziehen, wogegen die USA große Vorbehalte haben. Die USA warnen auch vor einer zu schnellen Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen. Die Annäherung könne nicht isoliert von den Bemühungen Washingtons zur Lösung des Atomprogramms Pjöngjangs geschehen. Damit liegt Druck auf Moon, die Nordkoreaner sowie die Amerikaner zu gegenseitigen Zugeständnissen zu bewegen.

Bevor Kim konkrete Schritte in Richtung Entnuklearisierung unternimmt, will er das formelle Ende des Korea-Krieges unterzeichnet haben, der im Jahr 1953 mit einem Waffenstillstandsabkommen ausgesetzt worden war. Die geteilte koreanische Halbinsel befindet sich technisch gesehen noch immer im Krieg, obwohl das Kampfgeschehen vor 65 Jahren endete. Laut Moon Chung In, dem südkoreanischen Präsidentenberater, sieht Kim einen Friedensvertrag mit den USA als Vorbedingung für seinen Verzicht auf Atomwaffen.

Nordkorea erachtet ein dauerhaftes Friedensabkommen als Nichtangriffsgarantie Washingtons und wichtigen Schritt in Richtung Abzug der US-Truppen aus Südkorea und Abbau der Wirtschaftssanktionen. Ohne konkrete Zugeständnisse Kims wird auch Moon vor Zugeständnissen zögern müssen. Berichten zufolge will die südkoreanische Delegation auf eine detaillierte Bestandsaufnahme von Pjöngjangs Atom- und Raketenprogrammen drängen, wozu die Nordkoreaner zuvor nie bereit waren.

Zwischen Trump und Kim ist es drei Monate nach dem Gipfel in Singapur still geworden, wo die beiden eine Absichtserklärung zur Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel unterzeichnet hatten. Pjöngjang stemmt sich gegen Washingtons Drängen auf einen schnellen Abbau seines Atomarsenals. Wenn sich Kim und Moon bei ihren Treffen in Pjöngjang gut verstehen, könnte dies auch den Weg für ein zweites Treffen zwischen Trump und Kim ebnen.

Satellitenaufnahmen zufolge hat Nordkorea Atom- und Raketenanlagen wohl demontiert, doch an anderen Standorten weiter ausgebaut. Als Signal an Washington verzichtete Nordkorea unlängst bei der Parade zum 70. Jahrestag auf die Zurschaustellung seiner interkontinentalen Trägerraketen. Mangels Fortschritten hatte US-Außenminister Mike Pompeo zuvor seinen vierten geplanten Nordkorea-Besuch gestrichen.

Wenigstens zwischen den beiden Koreas herrscht keine Funkstille. In einem beispiellosen Schritt eröffneten die beiden Seiten am Freitag ein Verbindungsbüro nördlich der entmilitarisierten Zone, und der südkoreanische Präsident wird eine große Wirtschaftsdelegation nach Pjöngjang bringen, darunter auch Lee Jae Yong, den Erben des Samsung-Konzerns, des größten Wirtschaftsimperiums Südkoreas.

Doch auch wenn die Nordkoreaner Angaben zu ihrem vermeintlichem Atomarsenal machen sollten, die Amerikaner werden der Liste misstrauen. Südkoreas Präsidentenberater Moon sprach von der Hoffnung, dass der Norden ungefähr zehn Atombomben übergeben werde. Misstrauen, dass Nordkorea nicht die volle Wahrheit sagt, würde bestehen bleiben. Trump müsste bereit sein, auch mit weniger als voller Transparenz zufrieden zu sein, um Fortschritte zu erzielen. Forderungen Washingtons nach Verifizierung wird Nordkorea frühestens zustimmen, wenn ein Friedensabkommen mit den USA besiegelt ist.

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