nd-aktuell.de / 22.09.2018 / Politik / Seite 7

Isoliert im Inselparadies

Auf den Malediven herrscht vor den Präsidentschaftswahlen die Angst vor Manipulation

Thomas Berger

Das Bilderbuchparadies sind die Malediven schon seit einiger Zeit nicht mehr. Am Sonntag finden dort Präsidentschaftswahlen unter düsteren Wolken statt. Die sind weniger dem Umstand geschuldet, dass sich einige Radikale dem Terrornetzwerk des Islamischen Staates angeschlossen haben - auf den Malediven bestimmt eine strenge Ausprägung des Islam das gesellschaftliche Leben. Es geht um die seit 2012 regelmäßig aufkochenden innenpolitischen Verwerfungen.

Dabei hatte vor zehn Jahren eine hoffnungsvolle Entwicklung begonnen. Nach 30 Jahren autokratischer Herrschaft von Maumoon Abdul Gayoom war es gelungen, den Langzeitherrscher zum Abtreten zu zwingen. Das Land gab sich eine neue Verfassung mit einem Mehrparteiensystem, und die ersten freien Wahlen im Herbst 2008 gewannen die Maledivische Demokratische Partei (MDP) und ihr Spitzenkandidat Mohamed Nasheed, der neuer Präsident wurde. Die liberale Regierung machte sich an weitere Reformvorhaben, Nasheed selbst setzte sich in beeindruckender Weise an die Spitze der Bewegung jener kleinen Inselstaaten, die vom Fortschreiten des Klimawandels am stärksten bedroht sind.

Mit seinem Rücktritt 2012 fand der Wandlungsprozess ein jähes Ende. Nasheed schilderte wiederholt, wie er mit auf ihn gerichteten Waffen zu diesem Schritt gezwungen wurde. Vorausgegangen war eine durch ihn vorgenommene umstrittene Absetzung eines Richters, die ihm schließlich im Prozess 2015 als terroristischer, hochverräterischer Akt ausgelegt wurde, wofür man ihm eine 13-jährige Haftstrafe auferlegte. Zuvor hatte der Hoffnungsträger noch versucht, bei den Präsidentschaftswahlen 2013 ins Amt zurückzukommen. In Runde eins erhielt er die meisten Stimmen, unterlag aber in der zweiten dem heute regierendem Yameen.

Nicht wenige derer, die Letzteren damals unterstützt haben, sind inzwischen zu seinen Gegnern übergelaufen. Stand vor fünf Jahren in der Finalrunde das geballte konservative Lager gegen Nasheed und die MDP, ist es der Amtsinhaber, der dieser Tage politisch weitgehend isoliert ist. Nach und nach haben sich nahezu alle ehemaligen Bündnispartner von ihm abgewandt. Allerdings, der Präsident hat in den letzten drei Jahren die staatlichen Organe konsequent auf Linie gebracht, Justiz und Wahlkommission mit Getreuen besetzt und die Medien eingeschüchtert. Selbst einen einstigen Vize ließ er unter dem Vorwurf des Terrorismus hinter Gitter bringen, und vergangenen Februar verhaftete die Polizei sogar Ex-Präsident und Langzeitherrscher Gayoom, immerhin sein Halbbruder. Der hatte sich zuvor auf die Seite der Oppositionsallianz geschlagen. Die hatte Nasheed, der für eine Behandlung in Großbritannien aus der Haft entlassen wurde, wo er 2016 politisches Asyl bekam, von Sri Lanka aus formiert. Auf den Malediven kann er nicht selbst antreten, da ihm, wie anderen führenden Oppositionellen, die Wählbarkeit für zehn Jahre aberkannt wurde.

Deshalb geht für die Opposition nun Solih ins Rennen, der Cousin von Nasheeds Ehefrau und enger Vertrauter des Ex-Präsidenten. 1994 wurde der heute 54-jährige als regierungskritischer Kandidat noch zu Diktaturzeiten erstmals ins Parlament gewählt. Seit Anbeginn war er einer der führenden Köpfe der MDP, wurde 2011 deren Fraktionschef und ist seit dem Vorjahr auch parlamentarischer Kopf der geeinten Opposition. Deren Bündnis, von Yameen als »Cocktail-Allianz« abgetan, ist eine Zweckgemeinschaft, deren - trotz großer ideologischer Unterschiede - gemeinsamer Nenner der Kampf gegen den autokratischen Yameen ist. Ihr gehören außerdem die religiöse Adaalath-Partei (AP), die konservative Jumhooree Party (JP) und jene von der Regierungspartei abgespaltene Gruppierung an, die treu zum einstigen Langzeitherrscher Gayoom steht.

Wie frei und fair dieser dritte Urnengang in zehn Jahren wird, muss sich erst erweisen. Internationale Stimmen teilen die Besorgnis der Opposition hinsichtlich drohender Manipulationen bei der Stimmauszählung durch eine gegenüber dem Amtsinhaber absolut loyale Wahlkommission. Dazu kommt die Einschüchterung von Regierungsgegnern. Die EU hat bereits verkündet, keine offiziellen Beobachter zu entsenden. Sollte Solih gewinnen, ist die spannende Frage, wie lange das heterogene Oppositionsbündnis halten mag. Im gemeinsamen Wahlprogramm steht vor allem das Ziel, binnen zwei Jahren volle Demokratie wiederzustellen.