Sieben Tage, sieben Nächte

In der Küchenzeile der nd-Redaktion kann man gewöhnlich das perfekte Funktionieren der Thermodynamik beobachten. »Aus Ordnung wird Unordnung«, fasst nd-Autor Martin Koch deren zweiten Hauptsatz zusammen (Seite 25). Die Natur hat danach das Bestreben, vorhandene Strukturen (in diesem Fall: Teller hierhin, Besteck dahin; dreckige Sachen in die Spülmaschine, saubere wieder raus) in sich selbst überlassenen Systemen (Redaktionsküche) spontan wieder zu zerstören.

Schon vor Jahrzehnten beschrieb der Physik-Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (der mit der Katze) das Geheimnis des Lebens - wie lebende Organismen (hier: Redakteurinnen und Redakteure) es schaffen, jene Thermodynamik zu überlisten und trotz aller Unordnung neue Ordnungen (Artikel, Kommentare, geschmierte Brote) zu schaffen. Des Rätsels Lösung: Sie nehmen die hochwertige Energie aus dieser Küche (Kaffee, Käse, Dosensuppen) und hinterlassen minderwertige Abfallstoffe (Müll, Dreckgeschirr, verworfene Thesen) - »ganz im Einklang mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik« (Koch).

In dieser Woche jedoch waren zwei neue Phänomene in der Redaktionsküche zu beobachten: 1. Über der Spüle hängt ein Schildchen mit der Aufschrift »Sauber« und einem Smiley auf der einen sowie der Aufschrift »Dreckig« und einem Frowney mit heruntergezogenen Mundwinkeln auf der anderen Seite. 2. Es war recht ordentlich.

Der Versuch, eine neue Struktur zu schaffen (Kennzeichnung des Zustandes der Spülmaschine - »dreckig«: Geschirr rein, »sauber«: bitte ausräumen), wurde erstaunlicherweise nicht gleich wieder zerstört. Allerdings stellte sich bei näheren Untersuchungen heraus, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen die Hinweise falsch verstanden und als Kommentare zum Gesamtzustand der Küche bzw. als Kritik an ihnen persönlich gedeutet hatten. Die, die über die neue Struktur informiert waren, gingen davon aus, dass die meisten anderen sie missverstehen würden. Tatsächlich war mehrfach Strukturchaos zu verzeichnen (»Sauber«-Smiley, aber dreckiges Geschirr in der Spülmaschine), jedoch kein Gesamtchaos (dreckiges Geschirr überall), weil alle mehr aufräumten als sonst (aus welchen Gründen auch immer). Ganz offensichtlich wurde also durch die Überlistung der Lebewesen (Redakteurinnen und Redakteure) gleichzeitig die Überlistung der Küchennatur erreicht. Kurz: Ordnung bleibt Ordnung. Somit ist zwar der zweite Hauptsatz der Thermodynamik außer Kraft gesetzt, aber mit angenehmem Effekt.

Wir werden umgehend prüfen, ob sich die Erkenntnisse auf andere Systeme übertragen lassen, die gut ein bisschen mehr Ordnung vertragen könnten (CDU/CSU, Große Koalition, Schalke 04).

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