Neue Alternative zum Arbeitslosengeld

Berlin macht Ernst: Ab 2019 soll ein Solidarisches Grundeinkommen erprobt werden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Fair bezahlt, unbefristet und sozialversicherungspflichtig. So soll das neue Solidarische Grundeinkommen ausgestaltet werden, dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor gut einem Jahr zum ersten Mal in die Debatte eingebracht hat. Um die Idee für das Solidarische Grundeinkommen zu erproben, könnte nun in einem ersten Schritt ab Mitte 2019 ein Pilotprojekt in Berlin gestartet werden. Insgesamt 1000 Stellen sollen neu zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, »eine Alternative zu Hartz IV« zu schaffen, wie aus Senatskreisen am Mittwoch verlautete. Insbesondere Beziehern von Arbeitslosengeld I soll so ein Abrutschen in den Arbeitslosengeld-II-Bezug und damit häufig einhergehende Dauerarbeitslosigkeit erspart bleiben. Das Instrument soll »frühestmöglich greifen«.

Soweit der Plan. Richtig im Konsens abgesprochen ist das Projekt allerdings im rot-rot-grünen Senat noch nicht. Vor allem fehlt darüber hinaus auch eine tragfähige Abmachung mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), über dessen Förderprogramme das Gros der Mittel für den Piloten des Solidarischen Grundeinkommens finanziert werden soll. Eine entsprechend nötige Öffnungsklausel für die Bundesförderungen gibt es nämlich noch nicht.

Auf Landesebene ist man da bereits etwas weiter: Schon am vergangenen Freitag waren nach einer Konferenz im Roten Rathaus zum Solidarischen Grundeinkommen die Grundzüge des neuen Pilotprojekts der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Doch erst an diesem Donnerstag wurde das Thema durch einen Bericht des rbb einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Dabei war das Treffen im Roten Rathaus am vergangenen Freitag durchaus prominent besetzt gewesen: Neben der für das Projekt wichtigen Senatskanzlei waren auch Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (LINKE) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vor Ort. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie die Jobcenter und kommunalen Unternehmen waren ebenfalls vertreten. »Die Expertise der kommunalen Unternehmen ist wichtig, weil sie für die Tätigkeiten maßgeblich zuständig sein werden«, sagte die Sprecherin des Senats, Claudia Sünder, dem »nd«.

In einem ersten Schritt könnten neue Stellen für das Pilotprojekt nur bei kommunalen Unternehmen entstehen. Als »mögliche Beschäftigungsfelder« wurden etwa Assistenztätigkeiten für Hausmeister in öffentlichen Einrichtungen oder Conciergedienste bei Wohnungsbaugesellschaften identifiziert. Weitere Vorschläge betreffen Mobilitätsbegleitungen im Öffentlichen Personennahverkehr oder unterstützende Tätigkeiten für ältere Menschen, etwa als Einkaufshilfen. Auch Tätigkeiten in Kultureinrichtungen und der Flüchtlingshilfe seien denkbar, ist zu hören. Wichtig ist, dass keine bestehende Arbeit durch die neuen Stellen verdrängt wird und die Arbeitsplätze im Bereich der sogenannten erweiterten Daseinsvorsorge entstehen. Im Unterschied zum 2011 in Berlin abgeschafften Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) sind die Stellen nicht befristet und die Bezahlung orientiert sich wahrscheinlich am Landesmindestlohn, der demnächst von 9 Euro auf wohl 10,50 Euro angehoben werden soll. Nach Berechnungen des Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) würde für eine Stelle ein Bruttolohn von rund 1500 Euro gezahlt werden, davon müssen Sozialversicherungsbeiträge und Einkommenssteuer abgeführt werden. Im Vergleich zum ALG-II bliebe dennoch deutlich mehr Geld netto übrig.

Während die CDU-Opposition am Donnerstag einen »Etikettenschwindel« sprach, der die Chancen auf dem Arbeitsmarkt keinesfalls verbessere, begrüßt und unterstützt Arbeitssenatorin Breitenbach die Idee für ein Solidarisches Grundeinkommen. »Das hat die volle Unterstützung der Senatorin«, sagte eine Sprecherin Breitenbachs. Im Unterschied zum Regierenden wolle Breitenbach aber möglichst eine tarifliche Bezahlung erreichen, so die Sprecherin. Für die anstehenden Gespräche mit dem Bundesarbeitsministerium hofft Breitenbach, dass der Regierende »gute Bedingungen« aushandelt.

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