Vom Student zum Handwerker

Auf historischen Baustellen tobt ein stiller Kampf zwischen Steinmetzen und Akademikern

  • Filip Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den historischen Baustellen des Landes tobt ein stiller Machtkampf. Geht es um die Vergabe von Restaurierungsarbeiten an altehrwürdigen Gemäuern, dann gehen die fachlichen Nachfahren der einstigen Erbauer - die Steinmetze - zunehmend leer aus. Stattdessen drängt eine neue Generation an Restauratoren mit akademischem Hintergrund auf die Baugerüste. Diese Entwicklung sorgt vor allem bei den traditionsreichen Handwerksbetrieben für Unverständnis.

Der sächsische Steinmetzmeister Tobias Neubert findet die unterschiedliche Wahrnehmung der einzelnen Bildungswege in der Praxis wenig dienlich: »Handwerker und Akademiker sollten sich stets auf Augenhöhe begegnen können. Jeder verfügt über spezialisiertes Fachwissen, ohne dass unsere Arbeit nicht funktionieren würde.« Deshalb bedauert der Unternehmer aus Halsbrücke bei Freiberg, der sich zugleich im Sachverständigenkreis des Bundesinstituts für Berufsbildung für eine bundeseinheitliche Ausbildung zum Restaurator im Handwerk einsetzt, dass die Universitäten für den Studiengang des Restaurators keine handwerkliche Ausbildung voraussetzen. Schließlich könne keine rein universitäre Ausbildung dieses praktische Fachwissen ersetzen.

In seinem auf Restaurierungen spezialisierten Betrieb führt der Fachmann die unterschiedlichen Ausbildungswege daher bewusst zusammen. So bildete der 54-jährige jüngst drei Fachkräfte aus, die bereits einen akademischen Abschluss in der Tasche haben. Es ist sozusagen die Umkehrung des weit verbreiteten Bildungsweges vieler Abiturienten, die sich mit der Fachausbildung eine berufliche Grundlage schaffen, bevor sie sich später einem Studium widmen.

Die Erfahrenste unter Neuberts Schützlingen ist Anika Gerischer, die bereits 2017 ihre Lehre zur Steinmetzin erfolgreich abschloss. Zuvor absolvierte die 28-Jährige den Bachelor in Restaurierung für Wandmalerei: »Während des Studiums waren mir viele Aspekte einfach zu theorielastig. Ich wollte die Hintergründe dieser Arbeit verstehen und entschied mich daher das Handwerk von Grund auf zu erlernen.« Ähnliche Beweggründe trieben auch Isabelle Tesche an. Die 30-Jährige besitzt bereits einen Master of Arts im Studiengang Steinrestaurierung der FH Potsdam. Der dritte im Bunde ist Sebastian Klar, Azubi im dritten Lehrjahr. Bei dem 27-jährigen Brandenburger weckte erst sein Studium der Kunstgeschichte das Interesse am Naturstein.

Es ist nicht nur die handwerkliche Komponente, die die Ausbildung vom Studium unterscheidet. Vielmehr waren die drei von der pragmatischen Arbeitsweise in der Praxis regelrecht geschockt. »Ich konnte anfangs gar nicht glauben, wie schnell hier bei den Projekten Entscheidungen getroffen werden. Im Studium erfolgte kein Schritt ohne ausgiebige Analyse und umfangreiche Begründung«, erinnert sich Isabelle Tesche. »Mit den zu restaurierenden Objekten gingen wir zumeist sehr ehrfürchtig um. Für wirtschaftliche Aspekte wie Zeit- und Kostendruck wurden wir überhaupt nicht sensibilisiert«, ergänzt Anika Gerischer.

Firmengründer Tobias Neubert schätzt jedoch genau diese akademische Vorprägung seiner jungen Kolleginnen und Kollegen: »Aufgrund ihres Hintergrundwissens können wir uns bei der Projektplanung ganz anders austauschen. Sie sind wesentlich geschulter darin, Dinge zu hinterfragen oder berücksichtigen beispielsweise auch philosophische Gesichtspunkte bei der Restaurierung.«

Und wie sich in der Praxis erwiesen hat, fungieren die drei bei ausgewählten Projekten gar als Türöffner. Zwar sind akademische Mitarbeiter in der Regel keine Grundvoraussetzung in den Ausschreibungen für historische Restaurierungsarbeiten, doch nehmen viele Entscheider die Zusatzqualifikationen von Neuberts Fachkräften sehr wohlwollend war. So profitieren letztlich beide Seiten von der eher untypischen Konstellation. Während Neubert bei Projektausschreibungen mit hoch qualifiziertem Personal punktet, fanden die Akademiker einen sicheren Berufseinstieg.

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