Gute Löhne, stabile Wirtschaft

IWF senkt seine Prognose für Deutschland deutlich, linke Ökonomen sind optimistischer

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) macht sich wegen des Zollstreits zwischen den USA und China sowie zunehmenden Problemen in einer Reihe von Schwellenländern Sorgen um die Weltwirtschaft. »Die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks für unsere Wachstumsvorhersage ist gestiegen«, sagte IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld am Dienstag bei der Vorstellung des Weltwirtschaftsberichtes im indonesischen Nusa Dua. In ihrem Bericht gehen Obstfeld und seine Forscher davon aus, dass die globale Wirtschaftsleistung in diesem und im kommenden Jahr nur noch um 3,7 Prozent wachsen wird. Noch im April waren die IWF-Wissenschaftler von 3,9 Prozent ausgegangen.

Laut Obstfeld und Co. dürfte die Abkühlung der globalen Konjunktur vor allem auch für Deutschland Folgen haben. Der IWF senkte seine Prognose für die Bundesrepublik für dieses und nächstes Jahr um 0,6 beziehungsweise 0,1 Prozentpunkte auf jeweils 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum. Damit scheint die internationale Institution die Prognosen hiesiger Forscher zu bestätigen, die davon ausgehen, dass es künftig nicht mehr so rund läuft. So senkten Ende September fünf führende deutsche Institute, darunter das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Münchner ifo-Institut, die Aussichten in ihre Gemeinschaftsdiagnose deutlich. Gingen sie im Frühjahr noch von einem Wachstum von 2,2 Prozent in diesem und 2,0 Prozent im nächsten Jahr aus, sind es jetzt nur noch 1,7 beziehungsweise 1,9 Prozent.

Doch nicht alle Ökonomen sind so pessimistisch. »Auch wenn die Dynamik zeitweilig nachlässt: Der laufende Aufschwung ist intakt, und wir haben gute Aussichten darauf, dass er der längste im vereinigten Deutschland wird«, sagt Gustav A. Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Zwar revidierten auch Horn und seine Kollege in ihrer Prognose, die sie am Dienstag veröffentlichten, ihre Konjunkturaussichten nach unten. Dies taten sie aber in weitaus geringerem Ausmaß als die überwiegende Mehrheit der Ökonomen: Die IMK-Forscher gehen jetzt von einem Wachstum von 1,9 in diesem und 2,0 Prozent im nächsten Jahr aus - statt wie im Juni von jeweils 2,1 Prozent.

Woher kommt der größere Optimismus? Zunächst geht IMK-Direktor Horn davon aus, dass sich der Handelskonflikt zwischen China und den USA nicht weiter verschärfen wird. Er tippt darauf, dass US-Präsident Donald Trump bei den im November anstehenden Kongresswahlen einen Dämpfer erhalten und deswegen den Streit mit China nicht weiter eskalieren wird. Vor allem aber sind Horn und seine Forscher bezüglich der Binnenkonjunktur optimistischer als die anderen Institute. Im Gegensatz zu vorangegangen Aufschwüngen sei beim gegenwärtigem Aufschwung der Konsum eine »zentrale Säule«, sagt Horn. »Das trägt uns über die schwierige weltwirtschaftliche Lage hinweg.« So sei Deutschland weiterhin exportorientiert, aber »nicht mehr die Fahne im Wind der Weltkonjunktur«.

Den Grund für die robuste Binnenkonjunktur sehen die Forscher des IMK neben wieder wachsenden Investitionstätigkeiten der Unternehmen in der guten Arbeitsmarktlage und den daraus resultierenden Lohnzuwächsen für die Beschäftigten. Sie gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote dieses und nächstes Jahr weiter zurückgehen wird. Weil die Angestellten wegen der dadurch gegenüber den Unternehmen eine bessere Verhandlungsposition haben, werden die Bruttogehälter dem IMK zufolge noch kräftiger steigen als 2016 und 2017 und zwar je Beschäftigten im Schnitt um 2,9 Prozent in diesem und 3,0 Prozent im nächsten Jahr. Dabei liegen die effektiven Lohnsteigerungen im Schnitt sogar über den tariflichen Lohnsteigerungen, weil viele Unternehmen mittlerweile auf Grund der guten Konjunktur und der geringen Arbeitslosigkeit ihren Beschäftigten übertarifliche Einkommen, um sie so im Betrieb zu halten.

»Dieses Geld wird zum großen Teil ausgegeben«, sagt Konjunkturforscher Horn. Und trage so wiederum zum Wirtschaftswachstum bei. »Das macht deutlich: Eine ausgewogenere Verteilung der Einkommenszuwächse ist nicht nur gerechter, sondern als Voraussetzung für eine solide Binnennachfrage auch ökonomisch sinnvoll«, erklärt Horn.

Jedoch warnt der Konjunkturforscher, dass die Lohnungleichheit zunimmt. Tendenziell seien die Lohnzuwächse in Branchen und Gegenden, in denen es boomt, besser als in Regionen, in denen es schlechter läuft. So profitiere in der Regel ein westdeutscher Mann mehr von der guten Konjunktur als eine ostdeutsche Frau.

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