nd-aktuell.de / 10.10.2018 / Politik

Im Dirndl gegen die AfD

Viraler Musikclip gegen die AfD zelebriert Vielfalt in Bayern und kritisiert das Programm der Rechtsaußenpartei / Schauspieler erklären: »Wählt, was ihr wollt, aber nicht die AfD«

München. In Bayern sorgt ein Musikclip von nicht einmal vier Minuten Länge für Furore im Landtagswahlkampf. Deutlich mehr als zwei Millionen Mal wurde das Anti-AfD-Lied der Initiative Künstler mit Herz mittlerweile angeklickt - und das, obwohl das Lied erst seit der vergangenen Woche online ist. »Mia Ned!« - also »Wir nicht!« heißt darin die Antwort auf die Frage, wer die AfD in Bayern wählt.

Das Lied erzählt die Geschichte eines wütenden Manns, der gerade von seinem Spezl am Telefon gehört hat, dass er am 14. Oktober AfD wählen wird. »Rudi, das kannst du nicht machen. Du musst dich doch ein bisschen erkundigen. Das gibt's ja wohl nicht. Mein Gott!«, brüllt der Protagonist ins Telefon und zählt dann mit Auszügen aus dem AfD-Wahlprogramm in einem Lied auf, weshalb er nicht in einem Bayern leben will, wie es die AfD sich vorstellt.

Ob der Internethit der »Künstler mit Herz« den erstmaligen Einzug der AfD in den bayerischen Landtag noch verhindern kann? Wohl kaum. Zuletzt lagen die Rechtspopulisten in Bayern vor genau drei Jahren in einer Umfrage unter der Fünfprozenthürde. Alle Umfragen seit Anfang 2017 sehen sie sogar bei einem zweistelligen Ergebnis. Mittlerweile hat sich die AfD in Bayern in den meisten Prognosen bei etwa zehn Prozent eingependelt, allein eine Prognose sieht sie in dieser Woche noch bei 14 Prozent.

Die AfD verfügt in Bayern mittlerweile über eine starke Substanz. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit konnte der Landesverband seine Basis im Freistaat verbreitern. Mitte September gab Landeschef Martin Sichert die Aufnahme des 5000. AfD-Mitglieds bekannt. Damit sei der Landesverband »nicht nur der am schnellsten wachsende, sondern inzwischen auch der größte Landesverband der Partei«, schrieb er stolz. Allein in diesem Jahr gab es demnach 1129 neue Parteimitglieder. Die meisten waren zuvor nie in einer anderen Partei, 63 kamen aus der CSU.

Der Erfolg lässt sich nicht mit einem Zugpferd in der Landespolitik erklären. Der Landesvorsitzende Sichert sitzt im Bundestag und strebt kein Landtagsmandat an. Einen eigenen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gibt es nicht. Bei den bisher zwei großen Fernsehdiskussionen im Bayerischen Fernsehen trat deshalb jeweils Sichert auf.

Die Kulturschaffenden von »Künstler mit Herz« jedenfalls stemmen sich gegen die Rechtspopulisten. Nicht nur mit dem Lied, sondern auch mit einem Faktencheck zum AfD-Wahlprogramm und - offenbar in Anlehnung an die antifaschistischen Proteste in Chemnitz - dem auf bayrisch abgewandelten Hashtag #wirsanmehra. In den letzten Tagen hat die Initiative Videobotschaften von einem Dutzen bayrischer Kulturschaffender veröffentlicht.

»Wählt, was ihr wollt, nur nicht die AfD«, erklärt darin etwa Schauspieler Joseph Hannesschläger. Tatort-Schauspieler Gerd Lohmeyer erklärt Heimat sei da »wo ich unter Menschen bin, die ein bisschen über den Tellerrand hinausblicken könnten« und nicht da, »wo man Kreuze in Amtsstuben zu nageln habe«. Bei der AfD kommt Lohmeyer in einem Kurzvideo das Sprichwörtliche kotzen. »Und das bei uns hier in Deutschland« ergänzt der Feuerzangenbowle-Darsteller und Schuh-des-Manitu-Schauspieler seine wenig subtile Ablehnung der Rechtsaußenpartei.

Die AfD wollte eigentlich im Sommer einen Spitzenkandidaten benennen und gab dann an, dass Inhalte wichtiger seien als Gesichter. Doch tatsächlich gab es ein bis vor Gericht getragenes Hauen und Stechen in der Partei. Mit dem ungeklärten parteiinternen Machtkampf ist nicht absehbar, wie radikal eine mögliche AfD-Landtagsfraktion in Bayern auftritt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnt seit Wochen, die bayerische AfD sei ganz auf Linie des Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke.

Tatsächlich agierte die Bayern-AfD in den vergangenen Wochen radikal. So provozierte der Landesverband vor dem ersten Schultag nach den Sommerferien mit einem Plakat mit der Forderung »Islamfreie Schulen«. Landeschef Sichert nannte zuletzt als Konzept gegen die Wohnungsnot in Bayern, Geflüchtete müssten konsequenter abgeschoben werden. Solche Töne dürften demnächst auch im bayerischen Landtag zu hören sein - auch wenn unklar ist, wen die AfD dort zu ihrem Sprachrohr machen will. AFP/nd