Söder sieht Schuld bei der Bundespolitik

CSU sucht nach Gründen für ihre Niederlage bei der Landtagswahl / Koalition mit Freien Wählern bevorzugt

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 4 Min.

Selten dürfte man bei der CSU ein größeres Entsetzen erlebt haben. Als um 18 Uhr die Prognosen eintrafen, reagierten die CSU-Mitglieder im Bayerischen Landtag fassungslos. Im Vorfeld der Wahl hatte Spitzenkandidat und Regierungschef Markus Söder noch Durchhalteparolen ausgegeben. Er hoffte, dass man trotz aller Unkenrufe vielleicht ein besseres Ergebnis erzielt, als die Umfragen vorhergesagt haben.

Doch das war nicht mehr als ein frommer Wunsch: Gerade einmal 37,3 Prozent der Wähler haben sich am Sonntag laut Hochrechnung für die CSU entschieden. Für die Partei ist das eine historische Niederlage, weit schlimmer noch als der Verlust der absoluten Mehrheit im Jahr 2008. Gegenüber den Wahlen 2013 hat die Partei damit insgesamt einen Verlust von gut 10 Prozentpunkten eingefahren - das ist das zweitschlechteste Ergebnis, das die bayerische Regierungspartei je erzielt hat.

Auch Söder konnte das nicht schönreden, als er vor die Öffentlichkeit trat: »Es ist kein einfacher Tag«, sagte er in Gegenwart zahlreicher hochrangiger Parteifreunde, die fast mit Trauermienen in die Kameras blickten. »Das ist kein gutes Ergebnis, es ist zum Teil ein sehr schmerzhaftes Ergebnis.« Die CSU werde es mit Demut annehmen, zudem werde sie den Denkzettel ernst nehmen. Gleichzeitig werte man das Ergebnis aber als klaren Auftrag, eine »stabile Regierung« in Bayern zu bilden.

Die Gründe für diese Niederlage müsse man in der nächsten Zeit im Detail untersuchen - auch mit Blick auf die Frage, »was sich in der Gesellschaft verändert hat«. Die grobe Richtung hat Söder schon einmal vorgegeben: Klar sei, dass die Bundespolitik im Wahlkampf eine negative Rolle gespielt habe. Der Wahlkampf in den Bundesländern sei nicht frei von den dortigen Querelen, sagte Söder. Das wirke sich nachteilig auf das Wahlergebnis in Bayern aus.

Mit andern Worten: Bayern musste wieder einmal für das büßen, was in Berlin schief lief. Es ist innerhalb der CSU ein beliebtes Erklärungsmuster, das vor allem seit Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise immer wieder benutzt wird, um die Schuld am eigenen Versagen anderen anzulasten. Bislang bleibt die CSU zwar vage bei der Frage, wer konkret für das Debakel verantwortlich ist. Nur soviel stand bis zum Abend fest: Söder werde seitens der Partei selbstverständlich als Ministerpräsident vorgeschlagen. Das erklärte Fraktionschef Thomas Kreuzer, unmittelbar nachdem die ersten Prognosen bekannt geworden waren.

Doch auch wenn am Wahlabend niemand über die Schuldfrage diskutieren wollte: Langfristig wird an diesem pikanten Thema kein Weg vorbeiführen. Der Fingerzeig nach Berlin jedenfalls dürfte diesmal nicht allein auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zielen - sondern ebenfalls auf Bundesinnenminister Horst Seehofer, der bis zum Regierungswechsel im März 2018 selbst als bayerischer Ministerpräsident amtierte. In Berlin hatte sich der CSU-Chef zuletzt mehrfach als Instabilitätsfaktor erwiesen, indem er regelmäßig die Arbeit der Großen Koalition torpedierte. Dieses Verhalten dürfte wiederum das Vertrauen geschwächt haben, das die Wähler den Konservativen als Regierungspartei entgegenbringen.

Vorerst aber gibt sich die Partei betont gelassen, will sich lieber der innerparteilichen Analyse sowie einer schnellen Regierungsbildung widmen. Dabei ließ Söder bereits eine klare Präferenz in Richtung einer »bürgerlichen Koalition« erkennen, bestehend aus CSU und Freien Wählern, die um 2,6 Punkte auf 11,6 Prozent zugelegt haben. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen komme für ihn eher nicht in Betracht, auch wenn er natürlich Gespräche mit der Partei führen werde, ebenso wie mit allen anderen Parteien außer der AfD.

Insgesamt präsentierten sich Söder und Seehofer am Abend fast übertrieben entspannt, bedenkt man das desaströse Ergebnis, das sie fabriziert haben. Beide räumten zwar selbstkritisch ein, dass das Ergebnis zu wünschen übrig lasse. Seehofer zeigte sich »bedrückt über das nicht gute Ergebnis«.

Selbst dem früheren CSU-Chef Erwin Huber war das etwas zu viel des Guten: Bewusst zurückhaltend erklärte er im Bayerischen Rundfunk, dass man dieses desaströse Ergebnis weniger gelassen hinnehmen sollte - obwohl er selbst ebenfalls Personalfragen ablehnte.

Auch Seehofer zeigte sich bereit zu einer Diskussion über personelle Konsequenzen. »Da können wir gerne drüber diskutieren«, sagte Seehofer am Sonntagabend im ZDF. Er werde das jedoch nicht an diesem Abend tun. »Natürlich habe ich als Parteivorsitzender auch Mitverantwortung für dieses Wahlergebnis.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal