Problembrocken aus der Eiszeit

Ein Großprojekt soll die Staus in Wismar beenden - es verzögert sich gleich nach dem Start

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Schon wieder!« schimpft der Lkw-Fahrer, als er auf dem Rückweg vom Wismarer Seehafen vor einem der beiden Bahnübergänge auf der Poeler Straße stoppen muss - wie schon auf der Hinfahrt. Und mit dem Mann im schweren Diesel ärgern sich weitere Lastwagenlenker und viele Leute in ihren Pkw. Sie alle haben inzwischen einen Stau gebildet. Mal wieder. Rund 120 mal täglich senken sich die Schranken auf jenem Verkehrsweg im Norden der Hansestadt, wenn die Güterzüge nahen. Künftig sollen die Züge eine Überführung nutzen, unter der dann der Autoverkehr ungehindert rollen kann.

Vorbereitende Arbeiten zu dem Straßenbauprojekt, zurzeit das größte in Wismar, hatten Ende Mai begonnen. Grünes Licht für die Durchfahrt auf der Trogstrecke sollte schon 2020 gegeben werden. Doch nun verzögere sich das Ganze um ein Jahr, vermeldet der NDR und zitiert dazu die Deutsche Bahn: Hindernisse im Erdreich, wie große Findlinge aus der Eiszeit oder durch Ostseenähe erhöhtes Grundwasser erschwerten die Vorbereitungsarbeiten im Tiefbau. Dazu kämen Probleme bei der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen - aufgrund der Marktlage sei es schwierig, geeignete Unternehmen zu finden.

Es ist nicht die erste Verzögerung im Bemühen, das Stauärgernis aufzulösen. Schon vor etlichen Jahren gab es Überlegungen zu einer Bahnüberführung. Dass die dauernden Staus an den Schranken untragbar sind, hatte bereits 2007 ein Verkehrsgutachten belegt. Wie sie aussehen könnte, zeigten dann Entwürfe aus dem Herbst 2011 auf der Internetpräsenz der Stadt. Doch bis der planerische und behördliche Weg in Richtung Projektstart beschritten war, verging noch geraume Zeit. Zwischendurch, im Jahre 2013, war mal zu hören, 2017 werde die Überführung wohl fertig sein. Doch daraus wurde nichts. Dann wieder sollten, dem Vernehmen nach, Mitte 2017 die ersten Arbeiten starten.

Begonnen haben sie erst vor etwa zweieinhalb Monaten. In der ersten Phase werden Rohre eingebracht, die im Bereich der künftigen Überführung verlaufende Versorgungsleitungen aufnehmen. Später wird die Poeler Straße auf einer Länge von 450 Metern ausgebaut, bekommt dort auch einen Fuß- und Radweg. Um die Bahnüberführung unterfahren zu können, wird die Straße abgesenkt. Der Schienenweg über diese knapp 180 Meter lange Trogstrecke bekommt drei Gleise. Die eigentliche Überführung für die Züge wird 25 Meter lang sein.

Sie soll auch den Ärger beheben, den die Schließung der Bahnschranken so manches Mal am Zentralen Omnibusbahnhof der Hansestadt verursacht. Er liegt direkt an der Poeler Straße, und wenn lange Staus die Zu-und Abfahrt der Busse behindern, können diese ihre Fahrpläne nicht einhalten.

Wirtschaftlich werde sich die Überführung positiv auf Wismar auswirken, hoffen die städtischen Behörden. Der Güterzugverkehr zum Industrie- und Gewerbegebiet Haffeld und auch zum Seehafen dürfte zunehmen und damit auch der Umschlag im Hafen. Er wurde 2017 von 27 300 Eisenbahnwaggons angefahren, deren Ladung 22 Prozent des Gesamtumschlages dort ausmachten.

Kosten wird das Großprojekt voraussichtlich 24 Millionen Euro. Davon tragen nach der üblichen Regelung für solche Vorhaben je ein Drittel die Bahn, der Bund und die Kommune. Da die Stadt Wismar für die Baumaßnahme eine Landesförderung von 75 Prozent erwartet, müsste sie sich mit rund zwei Millionen Euro an der Sache beteiligen.

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