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Volleyball per Algorithmus

Die Bundesliga hat einen neuen Technikpartner, der die Spiele automatisiert überträgt. Das bringt den Vereinen Geld

Die Kameraführung dürfte für Volleyballfans gewöhnungsbedürftig sein. Der Aufschläger wirft den Ball in die Luft, springt ab und schmettert ihn ins gegnerische Feld. Ob das Spielgerät wirklich dort ankommt, kann der Zuschauer nur erahnen, denn das Bild bleibt beim Aufschläger. So sinnlos der Ruf »Hey Kameramann, schwenk rüber!« in Richtung des Bildschirms ohnehin schon immer war, wird er nun nur noch mehr im Nichts verhallen, denn Kameraleute gibt es in der Volleyball-Bundesliga (VBL) nicht mehr.

Grund ist ein neuer Medienpartner, der die Übertragungen aller Liga- und Pokalspiele der Männer und Frauen übernimmt, zunächst in der ersten Bundesliga, bald auch in der zweiten. Sporttotal.tv ist eine Internetplattform, die bereits Wettbewerbe live überträgt: bislang vor allem Fußball-, und Hockeyspiele, jetzt also auch Volleyball. Von solchen Anbietern gibt es einige. Der Clou hier ist, dass die Übertragungen vollautomatisiert ablaufen. Niemand steht hinter der Kamera. Und wenn alles planmäßig läuft, muss auch niemand im zentralen Regieraum in Köln eingreifen.

Meist wird pro Halle für 12 000 bis 15 000 Euro eine Kamera installiert. Danach regelt alles der Algorithmus, so dass die Kamera immer dem Spielgerät folgt. Beim Fußball kommt es schon mal vor, dass nach einem Tor nicht die jubelnde Mannschaft gezeigt wird, sondern der einsame Ball, der aus Frust vom gegnerischen Torwart zum Anstoßkreis gedroschen wurde. Technische Kinderkrankheiten könnte man das nennen, doch der Algorithmus ist lernfähig.

Dass Volleyball nicht Fußball ist, musste Sporttotal nun aus dem ersten Spieltag als Erkenntnis mitnehmen. »Grundsätzlich war die Bildqualität schon sehr gut, aber es gibt noch ein, zwei Stellen, die wir verbessern müssen«, sagte Sprecher Alexander Neyer am Dienstag dem »nd«. Bei der VBL sieht man das genauso. Ihr Manager für digitale Medien und PR, Dominik Drutschmann, zeigte sich zufrieden mit dem Auftakt, und für die Liga sei von Beginn an klar gewesen, »dass am Anfang noch Abstimmungsbedarf bestehen wird. Wir verstehen, dass es noch Verbesserungspotenzial gibt, aber dafür sind wir mit den Kollegen von Sporttotal.tv in einem sehr engen Austausch.«

Die Plattform wendet sich generell vor allem an Amateurligen und kleine Sportarten, deren Wettbewerbe nie oder nur selten den Weg ins Fernsehen finden. Nun können also auch die Fans der Bisons Bühl oder der Grizzlys aus Giesen ihre Volleyballer auf der Plattform oder per App sehen.

Die VBL war zuletzt bei Sportdeutschland.tv zu Hause, der Wechsel hatte jedoch nicht nur technische Gründe, sondern auch finanzielle. »Die Entscheidung war eine bewusste. Wir denken, die automatisierte Produktion wird die Zukunft sein«, sagte Drutschmann dem »nd«. »Bei Sportdeutschland.tv hatte jeder Verein einen Teil der Produktionskosten selbst zu tragen. Jetzt ist das nicht mehr der Fall.« Für die Vereine fallen also Kosten weg. Sporttotal übernimmt sie und zahlt zudem noch eine Lizenzsumme an die Bundesliga für das Recht, deren Spiele übertragen zu dürfen.

Auch Volleyballvereine haben nun also TV-Einnahmen wie zuvor fast nur Fußballklubs. Wie hoch sie sind, wurde nicht publik. Die Verteilung unter den Vereinen muss auch erst noch besprochen werden. Aber ein Fortschritt für die Liga ist es allemal. Proteste von nun eventuell arbeitslosen Kameraleuten habe man noch nicht vernommen, so Drutschmann.

Mit Streams im Netz soll es noch nicht getan sein. Mindestens 51 Spiele der beiden ersten Ligen und des Pokals sollen bei Sport1 im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein. Und auch hier kommen die vollautomatisierten Kameras zum Einsatz - dann aber vier. Acht Hallen sind so ausgerüstet worden, fünf von Frauenklubs, drei bei den Männern. An diesem Donnerstag ist Premiere beim Spiel des Männermeisters Berlin Volleys gegen die Powervolleys Düren. In der Regie arbeiten dann der TV-Sender und Sporttotal zusammen.

»Die Vereine sind stolz, dass wir die TV-Präsenz noch mal ausbauen konnten. So viele Spiele der Bundesligen wurden noch nie live im Fernsehen übertragen«, berichtete Drutschmann. Auch wenn über Streamingdienste wie Sporttotal die Volleyballenthusiasten gezielter angesprochen werden können, sei der Liga die Präsenz im altbewährten Fernsehen immer noch äußerst wichtig. »So können wir noch mehr Menschen erreichen und neue Zielgruppen für unseren Sport begeistern.«

Damit die dann hängenbleiben und bestenfalls zur nächsten Übertragung im Netz oder im Fernsehen wieder einschalten - vielleicht sogar auch mal in die Halle kommen -, müssen aber die Anfangsschwierigkeiten noch gelöst werden. »Wir haben keine Angst, dass Volleyball zu schnell für diese Technik ist. Wir hatten früher ähnliche Probleme und konnten sie schnell beheben«, sagte VBL-Sprecher Drutschmann. »Im Volleyball wird schon mal mit 150 Stundenkilometern aufgeschlagen. Da muss man in dem Moment eben totaler werden, die Kamera muss aufziehen, so dass das ganze Spielfeld zu sehen ist. Darüber werden wir jetzt mit den Kollegen sprechen.« Schließlich sollte beim Volleyball immer der Ball zu sehen sein.

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