nd-aktuell.de / 18.10.2018 / Politik / Seite 14

Vom Strom zum Flüsschen

Notstand am Rhein: An der Grenze zu Holland sinkt der Pegel wohl unter 20 Zentimeter

Marc Niedzolka, Düsseldorf

Dort, wo sonst der Rhein fließt, lassen Eltern mit ihren Kindern Drachen steigen. Hundebesitzer haben außergewöhnlich viel Platz für ihre Vierbeiner direkt am Ufer, während sich die Schiffe durch eine enge Fahrrinne ihren Weg vorbei am Düsseldorfer Landtag bahnen. Der Rhein führt wenig Wasser in diesen Tagen, vertrocknete Uferbereiche prägen seit Monaten das Bild des längsten deutschen Flusses. Rekordtiefstwerte beim Wasserstand sind die Folge der monatelangen Dürre - Umwelt und Wirtschaft haben damit zu kämpfen.

In Emmerich an der Grenze zu den Niederlanden erreichte der Pegelstand schon am Dinstag mit nur noch 24 Zentimetern einen Rekordtiefstwert, dort wurde der Wert vom Vortrag nach Angaben der Bundesanstalt für Gewässerkunde noch einmal um zwei Zentimeter unterboten. Und das Wasser wird weiter zurückgehen, das scheint sicher: Die Prognosen sagen für die kommenden Tage einen Wasserstand von unter 20 Zentimetern voraus. Auch in Rees, ebenfalls am Niederrhein, und in Duisburg werden die Rekorde gebrochen. In den beiden größten NRW-Städten Köln und Düsseldorf fehlen nur noch wenige Zentimeter zum historischen Tiefstwert. Zum Ende der Woche könnte dieser erreicht werden, befürchten die Experten. Allerdings schwanken die Vorhersagen bei Wasserständen auch ziemlich, räumt das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein ein.

Den Binnenschiffern bereit der niedrige Wasserpegel schon seit Monaten Probleme. Laut Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) können größere Schiffe teilweise nur noch halb beladen auf dem Rhein fahren - vereinzelt sogar mit noch weniger Ladung. Es gebe aber nicht auf allen Wegen Probleme. Zwischen den großen Häfen Rotterdam und Duisburg sei die Schifffahrt weniger beeinträchtigt als auf dem Mittelrhein.

Das extreme Niedrigwasser hat die Schifffahrtsgesellschaft Köln-Düsseldorfer veranlasst, ihren Linienverkehr auf dem Rhein einzustellen. »Das ist uns jetzt zu gefährlich, die Sicherheit unserer Fahrgäste geht vor«, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Damit wird der Linienverkehr der Schiffe zwischen Düsseldorf und Mainz einige Tage vor dem ohnehin vorgesehenen Saisonende am kommenden Sonntag beendet. Die Rundfahrten bei Köln, Düsseldorf und Frankfurt am Main finden nach Angaben der Sprecherin weiter statt.

Sorgen auch bei RWE: Der Energiekonzern kann das Steinkohlekraftwerk in Hamm weiterhin nicht mit vollen Kohlefrachtern beliefern. Ein Unternehmenssprecher sagte, durch den niedrigen Wasserstand könnten die Schiffe zum Kraftwerk nur etwas mehr als zwei Drittel der üblichen Ladung transportieren. Im Sommer war die Anlage für wenige Tage vom Netz genommen worden, weil es Probleme beim Kohlenachschub gab.

Auch auf Pflanzen und Tiere wirkt sich die monatelange Dürre im Flussgebiet aus, der Bewegungsraum zum Beispiel für entlang des Rheins sei stark eingeschränkt. »Grundsätzlich ist ein niedriger Wasserstand ein normaler Zustand«, sagt Biologe Thomas Chrobock vom NABU. »Der Lebensraum für Tiere und Pflanzen wird durch die Trockenheit aber viel geringer, und sie müssen ihn sich mit der Schifffahrt oder Anglern teilen.« Für die Tiere werde es schwer, Nahrung zu finden, die Brut fiel in diesem Jahr geringer aus als üblich. Auch die Wurzeln von Pflanzen in Ufergebieten hätten Probleme gehabt, genügend Wasser aufzusaugen.

Etwas Entwarnung gibt es hingegen bei den Fischen: »Der wichtige Sauerstoff-Gehalt im Rhein ist durch eine kühlere Wasser- und Lufttemperatur wieder gestiegen«, sagt Chrobock. Das Fischesterben, das Umweltverbände im Sommer noch befürchtet hatten, sei ausgeblieben, heißt es beim Rheinischen Fischereiverband.

Zunächst machen die Wetterexperten keine Hoffnung, dass sich die Lage in den kommenden Tagen entspannen könnte: Bis zum Montag werde es entlang des Rheins nicht regnen, sagte der Meteorologe Martin Schönebeck vom Deutschen Wetterdienst in Essen. dpa/nd