Angst vor dem Verfassungsschutz

AfD-Politiker trafen sich im Haus der Identitären in Halle, um über die drohende Überwachung durch die Behörden zu diskutieren

  • Henrik Merker, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.

AfD-Abgeordnete, Identitäre und der neurechte Verleger Götz Kubitschek schmieden in Halle einen Plan, wie sie der drohenden Überwachung durch den Verfassungsschutz entgehen könnten. Doch die Wahl ihres Veranstaltungsortes dürfte die Behörden noch argwöhnischer gemacht haben.

Die beiden AfD-Abgeordneten Roger Beckamp (Nordrhein-Westphalen) und Hans-Thomas-Tillschneider (Sachsen-Anhalt) waren der Einladung des neurechten Antaios-Verlag nach Halle gefolgt. Sie sollten über den Verfassungsschutz sprechen – in dem Haus, wo Tillschneider bis vor kurzem selbst ein Büro betrieb. Bis vor kurzem, denn aus Angst vor dem Verfassungsschutz ließ er es schließen.

Das Haus, in dem der Abgeordnete vormals sein Zweigbüro betrieb, gehört zur »Identitären Bewegung«. Die wird seit Jahren vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet. 2017 bekam das Identitäre-Hausprojekt Besuch von der Polizei, nachdem Bewohner zwei Zivilpolizisten auf dem nahen Universitäts-Campus angegriffen hatten.

Zu viel Trubel für die AfD

Eigentlich sollte die Veranstaltung heimlich über die Bühne gehen, mit einer internen Mail wurden Freunde des Antaios-Verlags zu dem Treffen geladen. Doch auch das lokale Bündnis gegen Rechts bekam Wind von der Sache. Innerhalb weniger Tage organisierten die Aktivisten zusammen mit Anwohnern den Gegenprotest. Die Nachbarn sind von den Rechtsextremen genervt, manche haben Angst vor Übergriffen, wenn sie nachts nochmal raus gehen, um Freunde oder eine Party zu besuchen. Sie haben sich mit Unterstützung des Demokratievereins Miteinander e.V. zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen, die den braunen Spuk beenden will. Auf zwei Kundgebungen verteilen die engagierten Nachbarn am Donnerstagabend Essen und Getränke an die 150 Protestierenden. Laute Musik läuft im Hintergrund, während die die anreisenden AfD-Abgeordneten und die Identitären vor ihrem Haus mit Sprechchören bedacht werden.

Vorn an der Tür steht der Identitären-Kader Andreas K. und passt auf, dass nur geladene Gäste eintreten. Die AfD-Abgeordneten scheinen ihn zu kennen, man begrüßt sich mit Handschlag. Der Kampfsportler tauchte zuletzt beim Neonazi-Großevent »Schild-und-Schwert« im sächsischen Ostritz auf. Vor dem Amtsgericht Halle stand er schon wegen Körperverletzung, das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Futter für den Verfassungsschutz

Der Antaios-Verlag, bis zur Frankfurter Buchmesse 2018 in der Hand des neurechten Publizisten Götz Kubitschek, organisiert regelmäßig Vorträge unter dem Namen »Staatspolitischer Salon« im Haus der Identitären. Dass AfD-Abgeordnete daran als Gäste teilnehmen, ist nicht neu. Der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann, zum ganz rechten Flügel der Partei zählend, hielt in dem Rahmen bereits ein Referat über Syrien.

Doch wegen der drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz hatte die AfD sich vorgenommen, auf Abstand zu offen rechtsextremen Gruppen zu gehen. Seit Jahren existiert ein offizieller Unvereinbarkeitsbeschluss mit den Identitären, der seit Inkrafttreten ignoriert wird. Die Kontakte zur »Identitären Bewegung« werden der AfD schon länger vorgeworfen und könnten ihr nun zum Verhängnis werden. Mehrere Verfassungsschutzämter prüfen, die Partei wegen ihrer engen Vernetzung in das Milieu zu beobachten. Mit der jetzigen Veranstaltung haben die Behörden einen weiteren Anhaltspunkt bekommen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal