Ruf nach europaweiten Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien

Grüne fordern ein Rüstungsexportgesetz / LINKE: Steigerung der Rüstungsexporte »absolut unverantwortlich« / Russland glaubt an die Darstellung Riads zum Tod Khashoggi

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Nach der Tötung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi werden die Forderungen nach einem europaweiten Stopp von Waffenexporten in das Königreich lauter. So warb Österreichs Außenministerin Karin Kneissl in der »Welt« vom Freitag für ein solches Waffenembargo und verwies insbesondere auf den Jemen-Krieg und das Vorgehen Saudi-Arabiens gegen Katar. Derweil drohte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Telefonat mit Saudi-Arabiens König Salman internationale Strafmaßnahmen an.

»Vor allem der schreckliche Krieg im Jemen und die Katar-Krise sollten uns Anlass sein, als Europäische Union gegenüber Saudi-Arabien endlich gemeinsam zu handeln«, sagte Kneissl, deren Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, der »Welt«. »Wenn wir als gesamte EU Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien stoppen, kann das ein Beitrag zur Beendigung dieser Konflikte sein.«

Die Tötung Khashoggis sei zudem »zutiefst erschütternd« und »ein beispielloser Rechtsbruch«, sagte die Ministerin. »Es ist aber nur der Gipfel des Horrors.« Am Donnerstag hatte das Europaparlament die EU aufgerufen, ein Embargo für die Ausfuhr von Waffen nach Saudi-Arabien zu verhängen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich gegen einen Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien ausgesprochen. Entsprechende Forderungen im Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi seien »reine Demagogie«, sagte Macron am Freitag bei einem Besuch in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Waffenlieferungen an das Königreich hätten »nichts mit Herrn Khashoggi zu tun«, argumentierte der Präsident. »Man darf hier nicht alles durcheinanderbringen.«

Merkel kündigt »angemessene Maßnahmen« an

Bundeskanzlerin Merkel verurteilte in einem Telefonat mit dem saudiarabischen König die Tötung Khashoggis »aufs Schärfste«, wie Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte. Merkel habe das Königreich dazu aufgerufen eine »rasche, transparente und glaubhafte Aufklärung sicherzustellen«. Demnach steht »Deutschland bereit, zusammen mit internationalen Partnern angemessene Maßnahmen zu ergreifen«.

Russland dagegen hat im Fall des getöteten Journalisten keinen Zweifel an der Darstellung Saudi-Arabiens zum Tod des Regierungskritikers. Niemand sollte irgendwelche Gründe haben, den offiziellen Aussagen des saudischen Königs Salman nicht zu glauben, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. »Der Rest ist eine Frage der Ermittlungen.« Riad habe die Tat verurteilt und eine Untersuchung zu dem Vorfall angekündigt. »Das begrüßen wir.« Nach Angaben des Kremls war der Tod des Journalisten Gegenstand eines Telefonats des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit König Salman. Bei dem Gespräch am Donnerstag habe Saudi-Arabien die Schritte zur Aufklärung des Falls erläutert.

Grüne fordern ein Rüstungsexportgesetz

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock forderte angesichts anhaltend hoher deutscher Waffenexporte nach Saudi-Arabien ein Rüstungsexportgesetz und eine schärfere parlamentarische Kontrolle. »Wir brauchen endlich ein restriktives Rüstungsexportgesetz«, sagte Baerbock der Nachrichtenagentur AFP. »Denn an die bestehenden Richtlinien oder den eigenen Koalitionsvertrag hält sich die Bundesregierung nicht.« Zudem müsse der Bundestag in »besonders heiklen Fällen« über anstehende Genehmigungen vorab informiert werden.

Baerbock rief die Bundesregierung zu einem grundlegenden Kurswechsel in ihrer Politik gegenüber der Golfmonarchie auf. »Im Jemen hungern hunderttausende Kinder, Schulen werden bombardiert und im saudischen Konsulat in Istanbul wird ein kritischer Journalist ermordet«, sagte die Grünen-Vorsitzende. »Was soll eigentlich noch passieren, damit die Bundesregierung endlich für Werte in der Außenpolitik einsteht?«

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, forderte die sofortige Beendigung der deutschen Unterstützung des saudischen Grenzschutzes. »Die Bundesregierung muss die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit dem saudischen Grenzschutz schnellstmöglich beenden, statt sie nur temporär auf Eis zu legen«, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

LINKEN-Fraktionsvize Sevim Dagdelen erklärte, eine Trendwende bei den Rüstungsexporten sei nicht in Sicht. »Von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik dieser Bundesregierung kann bei über 5500 Einzelgenehmigungen im ersten Halbjahr 2018 keine Rede sein.« Die Steigerung der Rüstungsexporte an Saudi-Arabien sei »absolut unverantwortlich«.

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Am Donnerstag war bekannt geworden, dass zwischen Januar und Juni dieses Jahres laut Wirtschaftsministerium fünf Ausfuhrgenehmigungen nach Saudi-Arabien im Wert von fast 162 Millionen Euro erteilt wurden, im ersten Halbjahr 2017 waren es noch rund 99 Millionen Euro gewesen. Demnach handelte es sich bei den genehmigten Gütern um Patrouillenboote. Saudi-Arabien stand damit im ersten Halbjahr 2018 an dritter Stelle der wichtigsten Bestimmungsländer für erteilte Einzelgenehmigungen. Im Vorjahreszeitraum lag es noch auf Platz acht.

Khashoggi war am 2. Oktober während eines Besuchs im saudiarabischen Konsulat in Istanbul getötet worden. Am Donnerstag sprach die saudiarabische Generalstaatsanwaltschaft unter Berufung auf die türkischen Ermittlungen erstmals von einer vorsätzlichen Tat. Zuvor hatte Riad die Tötung zunächst geleugnet und dann als eine nicht geplante, aus dem Ruder gelaufene Aktion dargestellt.

Die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche und willkürliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, bezeichnete Khashoggis Tötung am Donnerstag als »außergerichtliche Hinrichtung«. »Selbst Saudi-Arabien hat eingeräumt, dass es bei dem Verbrechen Vorsatz gab und dass staatliche Vertreter beteiligt waren«, sagte sie in New York. Die Sonderberichterstatterin forderte eine internationale Untersuchung zum Tod des regierungskritischen Journalisten. Agenturen/nd

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