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GroKo bis zum letzten Atemzug?

Ausstieg aus Bündnis mit Union ist von SPD nicht zu erwarten. CDU diskutiert Personalien

Mit Prinzipien hatte es die SPD in den letzten 20 Jahren nicht so - und erst recht nicht mit der Einlösung gegebener Zusagen. Und das unabhängig davon, ob sie die Regierungsgeschäfte führte oder ob sie in den Bündnissen mit CDU und CSU 2005 bis 2009 und von 2013 bis heute Juniorpartnerin war. Legendär die Beschwerde von Franz Müntefering aus dem Jahr 2005: »Es ist unfair, Politiker an ihren Wahlversprechen zu messen«, hatte der damalige SPD-Chef und Vizekanzler geklagt, nachdem die Sozialdemokraten für ihre Zustimmung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent viel Spott geerntet hatten. Kurz zuvor hatten sie im Bundestagswahlkampf noch versichert, mit ihnen werde es eine Anhebung dieser Abgabe nicht geben.

Jetzt, nachdem die SPD von fast 41 Prozent im Jahr 1998 auf 20,5 bei der letzten Bundestagswahl und auf unter zehn Prozent in Bayern abgerutscht ist, verlangen auch führende Politiker eine »Schärfung des Profils« der Partei. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil etwa sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: »Wir müssen schneller zu konkreten Positionen kommen, offene Fragen zügig beantworten.« Wenn es etwas Positives an den »furchtbaren Wahlniederlagen« gebe, »dann, dass jetzt auch der Letzte den Schuss gehört haben muss«, meinte Weil. Für ihn bedeutet das offenbar: klare Abgrenzung nach links. So müsse die Partei deutlich machen, dass sie zwar zum »Grundrecht auf Asyl und zur Genfer Flüchtlingskonvention« stehe, dass sie aber auch alle in ihr Herkunftsland zurückschicken wolle, die kein »Schutzrecht« haben. Die SPD stehe zugleich für ein »modernes Einwanderungsrecht«.

Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil meldete sich erneut zu Wort. In der »Passauer Neuen Presse« mahnte er, die Partei brauche »schnelle Entscheidungen bei konkreten programmatischen Fragen, etwa beim Klimaschutz oder der Frage, was nach Hartz IV kommt«. Der »Fortschritt« müsse künftig allen zugutekommen, wofür man einen »starken Sozialstaat« brauche. Zudem müsse »die Verteilung des Vermögens gerechter werden«. Zugleich warnte Klingbeil vor »Personaldebatten«. Auch Weil betonte, er sei nicht für einen Wechsel an der Parteispitze.

In den letzten Tagen hatte insbesondere die Gruppierung »Forum Demokratische Linke 21« (DL21) wiederholt den Rücktritt nicht nur von Parteichefin Andrea Nahles, sondern des gesamten SPD-Präsidiums gefordert - was auch den von Klingbeil einschließen würde. Die DL21-Vorsitzende Hilde Mattheis verlangte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe einmal mehr nicht auch den sofortigen Austritt aus der Großen Koalition.

Am Sonntag kommen die Präsidien von SPD und CDU in Berlin zu Klausuren zusammen. Bei beiden Treffen wird voraussichtlich für eine Fortsetzung der GroKo votiert werden. Im 45-köpfigen SPD-Vorstand soll am Montag ein Plan zur Weiterarbeit in der Koalition diskutiert werden, den Parteichefin Nahles vorgelegt hat. Er sieht die etwas schnellere Umsetzung von Projekten vor, die ohnehin im Koalitionsvertrag festgeschrieben sind. Juso-Chef Kevin Kühnert forderte in einem Gastbeitrag für das »Handelsblatt« lediglich ein »Nachschärfen« des Konzepts und einige Ergänzungen.

Für ein Weiterregieren plädiert auch Hans-Roland Fäßler, ehemaliger Berater des gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. In einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag für das Magazin »Cicero« bescheinigte er der Partei ein »Burnout« und ihren Eliten ein »gestörtes Verhältnis zur Macht«. Dabei habe die große Mehrheit der Genossen sowohl 2013 als auch 2018 für die Große Koalition votiert. Außerdem habe die SPD eine »stattliche Bilanz« ihres Wirkens als Juniorpartner in der GroKo vorzuweisen, meint Fäßler.

In der CDU werden derweil vor allem Personalien debattiert, seit Kanzlerin Angela Merkel am Montag angekündigt hat, im Dezember nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Zugleich wird sowohl aus der Union heraus als auch von SPD-Politikern prognostiziert, dass die gegenwärtige Regierung nicht bis zum regulären Termin der nächsten Bundestagswahl 2021 halten wird. Die Position der CDU könnte Merkel mit ihrem Schritt für den Fall vorgezogener Neuwahlen gestärkt haben.

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