Jeff Sessions zieht die Reißleine

US-Justizminister reicht auf Druck von Präsident Donald Trump seinen Rücktritt ein

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Unmut über die Personalentscheidung ist lagerübergreifend. Einflussreiche Republikaner teilen die bei den Demokraten einhellig vertretene Auffassung, dass der US-Justizminister Jeff Sessions gehen musste, weil er den sogenannten Russland-Ermittlungen freien Lauf ließ. Sessions hatte sich kurz nach seinem Amtsantritt wegen seiner Rolle in Trumps Wahlkampfteam in diesen Ermittlungen für befangen erklärt und sich daraus zurückgezogen. Die Oberaufsicht über die Russland-Ermittlungen führt seitdem Vizejustizminister Rod Rosenstein. Dieser setzte im Mai 2017 den früheren FBI-Direktor Mueller als Sonderermittler zu der Russland-Affäre ein.

Die republikanische Senatorin des Bundesstaats Maine, Susan Collins, fühlte sich unmittelbar nach dem Personalwechsel Sessions zu seinem bisherigen Stabschef Matthew Whitaker bemüßigt, zu warnen: »Es ist zwingend, dass die Regierung nicht in die Untersuchungen von Mueller eingreift … Sonderermittler Mueller muss es erlaubt werden, seine Arbeit ohne jede Einmischung zu vollenden.« Und das republikanische Schwergewicht Mitt Romney, der als Senator für Utah am Dienstag wiedergewählt wurde, pflichtete ihr per Twitter bei: »Es ist zwingend, dass die wichtige Arbeit des Justizministeriums fortgesetzt wird und dass die Mueller Untersuchung ohne Einmischung zu ihrem Ende gelangt.«

Die Personalie Whitaker ist pikant. Zwar soll Whitaker erst mal das Justizministerium nur vorübergehend leiten, doch schon das ist fragwürdig. Whitaker hatte Mueller im vergangenen Jahr öffentlich vorgeworfen, seine Ermittlungen zu sehr auszuweiten - und Rosenstein aufgefordert, Mueller Grenzen zu setzen. Er könnte Rosenstein nun die Aufsicht über den Sonderermittler entziehen und sie selbst übernehmen.

Dass die oppositionellen Demokraten über das Manöver not amused sind, versteht sich von selbst: Ihr Anführer im Senat, Chuck Schumer, rief Whitaker am Mittwoch auf, sich angesichts seiner früheren Äußerungen nicht in Muellers Ermittlungen einzumischen. Sekundiert wurde ihm vom demokratischen Senator Mark Warner: »Niemand steht über dem Gesetz«. Jeder Versuch einer Einmischung wäre ein »grober Machtmissbrauch des Präsidenten«.

Trump hat die Ermittlungen wiederholt als »Hexenjagd« bezeichnet. Im August forderte er Sessions vergeblich auf, die Ermittlungen »unverzüglich zu beenden«. Donald Trump gab Sessions eine erhebliche Mitschuld daran, dass er einen Sonderermittler zur Affäre um möglicherweise illegale Russland-Kontakte am Hals hat. Und er zog auch immer wieder öffentlich über seinen Minister her.

Sessions wurde bei seinem Auszug aus dem Justizministerium mit Applaus von Mitarbeitern begleitet. Wenige Stunden davor war ihm telefonisch mitgeteilt worden, dass seine Dienste künftig nicht mehr gewünscht seien. »Auf Ihren Wunsch reiche ich meinen Rücktritt ein«, schrieb Sessions in einem Brief an Trump, den das US-Justizministerium veröffentlichte. Allerdings ohne Datum, vielleicht lag der Brief schon seit geraumer Zeit in der Schublade.

Trump selbst beschwichtigte: Er versicherte am Mittwoch, die Russland-Ermittlungen würden nicht gestoppt. »Ich könnte alle sofort feuern«, sagte er bei seiner Pressekonferenz zum Ausgang der Kongresswahl über das Team von Sonderermittler Mueller. Er wolle die Ermittlungen aber nicht beenden, weil er dies aus »politischen« Gründen nicht gut finde. Er mache sich wegen der Untersuchung keinerlei Sorgen, »weil sie ein Schwindel ist«, sagte Trump. »Es gibt keine Absprachen.«

Unbeliebt bei Trump machte sich bei dieser Pressekonferenz der CNN-Journalist Jim Acosta, der ihn zu seinen Verbalattacken auf die zentralamerikanischen Flüchtlinge befragte, die sich derzeit zu Tausenden auf dem Weg in Richtung USA befinden. Acosta erklärte dabei Trumps Begriff »Invasion« für fragwürdig und erntete einen Zornesausbruch. Im Anschluss entzog das Weiße Haus Acosta die Akkreditierung, den Trump als »Volksfeind« diffamierte. Der Sender sprach von einer »Bedrohung unserer Demokratie«, Journalistenverbände legten Protest ein. mit Agenturen

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