Endlagersuche für Atommüll stockt

Bayern-Koalition sieht keinen Standort im Freistaat / Daten werden zurückgehalten

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Die beiden Sätze stehen auf Seite 31 des Koalitionsvertrages von CSU und Freien Wählern. Unter der Kapitelüberschrift »Für eine gesunde Umwelt« heißt es: »Wir denken beim Schutz unserer Heimat über Generationen hinaus. Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.«

Wer oder was den beiden Parteien, die den Freistaat in den nächsten fünf Jahren regieren wollen, zu dieser Überzeugung verholfen hat, wird nicht ausgeführt. Wie denn auch: Die eigentliche Suche, also die Erkundung möglicherweise geeigneter Standorte, hat schließlich noch gar nicht begonnen.

Bayern hatte gemeinsam mit Sachsen der Suche nach einem Atommüll-Endlager schon früher Steine in den Weg gelegt. Vor der geplanten Verabschiedung des Standortauswahl-Gesetzes reichten die beiden Länder Anträge ein. Sie kritisierten darin die Gleichbehandlung von kristallinem Gestein (Granit), das in diesen beiden Ländern vorkommt, mit Ton und Salzstöcken. Diese drei Formationen kommen als mögliche Wirtsgesteine für ein unterirdisches Endlager infrage, das Gesetz schließt Granit ausdrücklich ein.

Nach weiteren Störmanövern in der von Bundestag und Bundesrat eingesetzten Endlager-Kommission lenkte der Freistaat zunächst ein. In einer Stellungnahme des Landes zum Abschlussbericht der Kommission hieß es: »Damit hat sich auch Bayern zu einer unvoreingenommenen und transparenten Suche nach dem Prinzip der weißen Landkarte und auf der Basis wissenschaftsbasierter Kriterien bekannt.«

Wenn CSU und Freie Wähler Bayern nun doch von der Suche ausnehmen wollen, konterkarieren sie nicht nur den vorherigen Beschluss und die mühsam erreichte Einigung von Bund und Ländern. Vor dem Hintergrund, dass kein anderes Bundesland so viel Atomstrom - und Atommüll - produziert hat, mutet der Passus im Koalitionsvertrag auch anmaßend an.

Offenbar zieren sich auch weitere Länder. Nach Recherchen des Redaktionsnetzwerks Deutschland verweigern das rot-gelb-grün regierte Rheinland-Pfalz sowie das schwarz-rote Sachsen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die korrekten geologischen Daten, die zur Standortauswahl benötigt werden. Die bundeseigene Gesellschaft hatte diese Daten im vergangenen Jahr bei den Bergbehörden der Länder abgefragt, um bestimmte Gebiete als Endlagerstandorte ausschließen zu können - etwa wenn dort die Gefahr von Erdbeben besteht oder der Untergrund bereits durch frühere Bergbautätigkeiten und Bohrungen »verritzt« ist.

Hinzu kommt: Viele relevante Daten stammen von privaten Bergbauunternehmen. Die sperren sich allerdings häufig gegen die Weitergabe der Informationen an die Öffentlichkeit - und haben dabei das Recht auf ihrer Seite. Das Standortauswahlgesetz schreibt jedoch eine transparente Information der Bevölkerung vor. Ein Desaster wie in Gorleben, wo der Standort von oben durchgedrückt wurde und nicht zuletzt deshalb am Widerstand von Bürgern und Anti-Atomkraft-Bewegung scheiterte, soll unbedingt vermieden werden.

Abhilfe, da sind sich alle Akteure im Grundsatz einig, soll ein »Geologiedaten-Gesetz« schaffen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dafür einen Referentenentwurf vorgelegt. Danach soll es der BGE überlassen bleiben, jeden Widerspruch im Einzelfall zu prüfen. Das aber kann die Gesellschaft nicht leisten: Eine solche Abwägungsregel sei bei der Vielzahl an Datensätzen nicht praktikabel, so die BGE. Sie verlangt, das Gesetz so zu ändern, dass die Daten rechtssicher veröffentlicht werden dürfen.

Das Ministerium hat inzwischen Klärungsbedarf eingeräumt. Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist frühestens Anfang 2019 zu rechnen, die Auswertung der Daten wird sich hinziehen. Der ohnehin mehr als ehrgeizige Zeitplan, nach dem ein Standort bis 2031 benannt und das Endlager ab 2050 betriebsbereit sein soll, scheint damit schon jetzt Makulatur zu sein.

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