Italienische Justiz verfügt Beschlagnahme von Aquarius

Wegen angeblich illegaler Abfallentsorgung soll das Rettungsschiff von Ärzte ohne Grenzen und Vermögen im Wert von 460.000 Euro konfisziert werden

  • Lesedauer: 3 Min.

Rom. Die italienische Justiz will ein Rettungsschiff beschlagnahmen: Wegen des Verdachts auf illegale Abfallentsorgung hat die Staatsanwaltschaft Catania die Konfiszierung des Seenotrettungsschiffs »Aquarius« sowie von 460.000 Euro Vermögen der Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« verfügt. Italienischen Rundfunkangaben vom Dienstag zufolge werfen die Justizbehörden den Betreibern der »Aquarius« vor, in 44 Fällen insgesamt 24 Tonnen Abfall in italienischen Häfen als Restmüll entsorgt zu haben, der ein Gesundheitsrisiko darstelle.

»Ärzte ohne Grenzen« reagierte empört. »Es handelt sich um einen besorgniserregenden Versuch, um jeden Preis unsere Such- und Rettungsaktion im Mittelmeer zu stoppen«, erklärte die Nothilfeorganisation. In diesem Jahr seien bereits rund 2.000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, eine Folge der Blockadepolitik Italiens.

»Bei allen Aktivitäten im Hafen, inklusive der Müllbeseitigung von den Rettungsschiffen, hat Ärzte ohne Grenzen immer die Standardverfahren eingehalten«, hieß es in einer Mitteilung. Die zuständigen Behörden hätten die Verfahren nie beanstandet, die Anschuldigungen seien »unzutreffend und irreführend«. Die Hilfsorganisation werde deshalb Widerspruch beim italienischen Berufungsgericht einlegen.

Nach Rundfunkangaben soll der Müll zwischen Januar 2017 und Mai 2018 von der »Aquarius« sowie von dem Schiff »Vos Prudence« in italienische Häfen gebracht worden sein. Die Vorwürfe beziehen sich insbesondere auf Kleidungsstücke geretteter Flüchtlinge und Abfälle aus deren Gesundheitsversorgung, bei denen der Verdacht auf Infektionskrankheiten bestand.

Die von »Ärzte ohne Grenzen« und der internationalen Seenotrettungsorganisation SOS Méditeranée betriebene »Aquarius« liegt derzeit im Hafen von Marseille. Seit der Blockade der italienischen Häfen für Flüchtlingsschiffe ist es das einzige Schiff von »Ärzte ohne Grenzen«, auf dem noch eine Mannschaft für die Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen stationiert ist.

Die Staatsanwaltschaft Catania hatte zuletzt im vergangenen März ein Schiff der spanischen Hilfsorganisation »Proactiva Open Arms« wegen des Verdachts auf Begünstigung von Schlepperbanden beschlagnahmt. Staatsanwalt Carmelo Zuccaro äußerte bereits im vergangenen Jahr den bisher unbelegten Verdacht, Hilfsorganisationen, die Bootsflüchtlinge retten, würden von afrikanischen Schleppern bezahlt.

Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechtsextremen Lega-Partei fühlte sich durch die Entscheidung in seinem harten Kurs gegen Hilfsorganisationen im Mittelmeer bestätigt. Es sei richtig gewesen, die Schiffe der NGOs zu blockieren, sagte Salvini. Er behauptete: »Ich habe nicht nur den Transport illegaler Einwanderer gestoppt, sondern auch den giftiger Abfälle«.

»Dies ist Kriminalisierung von humanitärer Hilfe auf See«, erklärte Frédéric Penard, Geschäftsführer von SOS Méditerranée. Von der Bundesregierung forderte SOS Méditerranée, »der Diffamierung von Hilfsorganisationen ein Ende zu setzen und ihrer eigenen humanitären Verantwortung im Mittelmeer endlich nachzukommen«.

Derzeit liegt die »Aquarius« im südfranzösischen Hafen Marseille. Ärzte ohne Grenzen hat nach eigenen Angaben in den vergangenen drei Jahren mit fünf Schiffen mehr als 80.000 Menschen im Mittelmeer gerettet. epd/nd

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