Hunde bitte an die Leine zu führen!

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 2 Min.

»Vorwärts nach weit«. So übersetzte Kurt Schwitters in seinem MERZ-Gedicht »Hannover« einst den Namen der niedersächsischen Landeshauptstadt rückwärts gelesen. »Hannover strebt vorwärts, und zwar ins Unermeßliche«, heißt es da. Seit ich meiner Geburtsstadt Hannover den Rücken kehrte - sozusagen, um vorwärts, und zwar ins Unermessliche, zu streben - und in Berlin einer dieser »Zugezogenen« wurde, von denen immer alle reden, sehe ich mich des Öfteren genötigt, meine Herkunft zu erklären: »Hannover? Dazu fällt mir nichts mehr ein«, hört man zum Beispiel. »Laaaaangweilig« oder: »Hannover? Watt solln ditte? Jibts ditt ooch in schön?« Ein ehemaliger Chef sagte mal: »Sie sind wie gemacht für Rundfunk. Sie haben ein Radiogesicht, aber sprechen astreines Hochdeutsch.« Und dann war da noch irgendwas mit einer Atombombe, um die Wurzel allen Übels zu tilgen - oder so. Zugegeben, es gibt Gründe, Hannover zu hassen: Christian Wulff zum Beispiel, Ernst »Prügelaugust« aka »Pinkelprinz« August von Hannover oder Oliver Pocher. Oder auch Martin Lejeune - der ist laut Wikipedia ebenfalls in Hannover geboren.

Es gibt aber auch Gründe, Hannover zu mögen. Hannover zog Hannah Arendt groß. Hannover spricht Hochdeutsch. Wobei, Hochdeutsch gibt es ja gar nicht. Hannover setzt Akzente. Hannoveraner Platt ist frei. Den Maschsee mag man ob seiner Entstehungsgeschichte getrost beiseiteschieben. Aber Hannover ist nicht Friedrich. Hannover ist MERZ. Hannover steht im chinesischen Changde. Vor der Messe ist nach der Cebit. Weil viele business people kommen. Hannover krökelt. Und manchmal - im Sommer: limmern. Denn Hannover hat Trinkhallen, wie Sand am Leinestrand. Mehr als Berlin Spätis - prozentual gesehen. Chaostage in der einstigen Punkhochburg. Dem Landesvater sein neues Volk. Wenn du den Bahnhof gesehen hast, weißt du, warum. Und ein Gulli spielt Musik. Coreclub Indigo Glocksee oder Ruby Tuesday Faust? Linden Love! Und einen Meter Lüttje Lage. Unaufgeregt norddeutsch eben. Unterm Schwanz oder am Kröpke. Vielleicht auch mal am Aegi. Durch die schöne Altstadt. Schiefer Aufzug das Rathaus rauf. Und immer noch erste Liga. Onkel Olli, der in der NordstadtBraut. 39 Clocks. (Hunde bitte an die Leine zu führen!)

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