• Kultur
  • Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und die AfD

Brüllen und weg

Netzwoche über rechte Shitstorms und die Reaktionen vom öffentlich-rechtlichem Rundfunk

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Es wirkt wie ein eingeübtes Ritual: In den Öffentlich-Rechtlichen tauchen Symboliken auf, die der AfD und Konsorten nicht gefalle. Der Aufschrei von Rechtsaußen ist groß, in den sozialen Medien wird das Bild des »links-grünversifften Staatsfunks« bedient - nach einigem Gebrüll fühlt sich die kritisierte Institution zur Distanzierung genötigt.

Noch einmal konkreter: Das ZDF hat auf Kritik an der Kleidung eines ihrer Mitarbeiter reagiert. Während eines Fernsehinterviews mit Wolfgang Schäuble kurz vor Neujahr war mehrmals ein Kameramann von hinten bei der Arbeit zu sehen. Er trug eine Jacke mit der Aufschrift »Brüllen, Zertrümmern und weg« - Merchandise der Band Slime. Laut einem viel gelesenen rechten Blog sei dieser Musikgruppe die Urheberschaft für »linksextreme« Parolen wie »Mollis und Steine gegen Bullenschweine« und »möglicherweise« auch für den beliebten Slogan »A.C.A.B.« zuzuordnen. Und zwar nicht von irgendwem, sondern laut Blog von »Experten«. Die Antwort darauf, wer diese Sachverständigen sind, die so offensichtlichen Quatsch verzapfen, bleibt aus. Trotzdem bewegten die Reaktionen das ZDF dazu, auf Twitter Stellung zu beziehen. Dort wird der Vorfall bedauert. Die Kameraleute seien angehalten, dunkle Sachen zur Arbeit zu tragen. Ein »politisches Statement« sei es also nicht gewesen.

Es ist nicht das erste Mal: Der Barista Graf Carlo Bülow hatte bei den Kaffeemeisterschaften gewonnen und führte in einer ARD-Sendung vor, dass er Bilder in den Kaffee malen kann. Dabei trug er ein Shirt mit Antifa-Flagge. Kaffee und Antifaschismus - eigentlich zwei Dinge, die das Leben ertragbarer machen - lösten einen Shitstorm aus, der den WDR bewog, die Sendung vorübergehend aus der Mediathek zu nehmen. Anderer Fall: Eine »Polizeiruf 110«-Folge ist in der ARD-Mediathek nur noch in einer bearbeiteten Fassung zu sehen: Wo bisher in einem Büro ein »Fuck AfD«-Aufkleber zu sehen war, ist durch digitale Nachbearbeitung jetzt nur noch eine graue Magnetwand im Bild.

Die Fälle eint, dass die Sender einknickten, ohne dass etwa die Rundfunkräte sie dazu gezwungen hätten. Ein fatales Signal. Die Rechten lernen, dass sie durch Gebrüll in die Echokammern und die immer gleichen Empörungskaskaden Gehör finden. Aber: »Kinder merken es sich, wenn sie mit Quengeln, Jaulen und Jammern durchkommen« kommentiert Jürn Kruse auf taz.de.

Die Entschuldigungen bringen sowieso nichts, geht es der AfD und den rechten Kommentarspaltenschreiberlingen doch um etwas ganz anderes: die Reproduktion von Eigenbildern. Hier aufrechte Bürger, die das System durchschaut haben, dort systembewahrende Lügenpresse. Ihnen für diese Selbstreproduktion eine Bühne zu geben, könnte falscher nicht sein. Besser ist da die Reaktion der Punkband ZSK. Die schreibt auf Twitter: »Lieber ZDF-Kameramann mit Slime-Shirt: du kriegst lebenslang Gästeliste bei uns! Melde dich einfach.«

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