Eine Frage des Stils

Mit Persönlichkeit kann die Berliner SPD nicht unbedingt punkten

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn an diesem Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre, würde eine deutliche Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner für SPD, LINKE oder Grüne stimmen. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die pünktlich zum Jahresbeginn am 1. Januar veröffentlicht wurde, zeigt, dass die rot-rot-grüne Regierungskoalition auch nach der Hälfte ihrer Amtszeit weiterhin großes Vertrauen in der Bevölkerung genießt und - auch dank der inhaltlichen und personellen Schwäche der Opposition - derzeit gewissermaßen als alternativlos gilt. Keineswegs alternativlos ist hingegen das Machtgefüge innerhalb des Mitte-links-Bündnisses in der Hauptstadt. Die einst so stolze SPD, die bei den letzten Wahlen im September 2016 mit 21,6 Prozent noch knapp stärkste Partei wurde, wäre mit 15 Prozent weit abgeschlagen hinter den aufstrebenden Grünen (23 Prozent) und der soliden LINKEN (18 Prozent) und sogar hinter den konservativen Konkurrenten von der CDU (17 Prozent) nur noch viertstärkste Partei. Sogar die rechten Schreihälse der AfD sind mit ihren aktuell 13 Prozent den Sozialdemokraten schon dicht auf den Fersen. Zu der Misere der Hauptstadt-SPD passt, dass der Regierende Bürgermeister und Landesvorsitzende Michael Müller im Beliebtheitsranking der Spitzenpolitiker abgeschlagen auf dem viertletzten Platz rangiert.

Nun wäre es doch unsachlich, die Probleme einer ganzen Partei an einzelnen Personen festzumachen, zumal sich andere SPD-Politiker weiterhin durchaus großer Beliebtheit erfreuen. Vergleicht man allerdings den Politikstil von Kultursenator Klaus Lederer (LINKE), der sich seit April 2017 unangefochten als beliebtester Politiker der Stadt fühlen darf, mit dem des Regierenden Müller, ergeben sich doch aufschlussreiche Unterschiede: Während Lederer jemand ist, der auch abseits von hochkarätigen Presseterminen zu den Menschen geht, mit ihnen über Sorgen und Hoffnungen spricht und als politisch Verantwortlicher für Kultur einfach schon deshalb glaubwürdig wirkt, weil er als Person die Internationalität und Vielfalt Berlins verkörpert, ist Müller das genaue Gegenteil. Der SPD-Landeschef wirkt zu häufig abgehoben, dabei doch irgendwie kleinkariert, mal mehr am parteipolitischen Klein-Klein, mal mehr an bundespolitischen Themen interessiert - in jedem Fall ohne Gefühl für die drängenden Fragen, die die Berlinerinnen und Berliner tagtäglich bewegen. Politik wird nicht nur durch Themen entschieden, sondern auch von Persönlichkeiten und ihrem Stil. Wenn die SPD es ernst meint mit ihrer Erneuerung hin zu einer Volkspartei des 21. Jahrhunderts, wird auch der Berliner Landesverband nicht um eine personelle Neuausrichtung seines Spitzenpersonals herumkommen. Zumal es den Genossen ja gar nicht an guten Ideen mangelt. Erwähnt seien nur das kostenfreie Schülerticket und Schulessen, zwei Maßnahmen, die auf Druck der SPD im Nachtragshaushalt beschlossen wurden. Nur mit politischen Initiativen dieser Art, die ganz konkret Menschen unterstützen, und Politikern, die die DNA Berlins verstehen, kann die SPD langfristig auf den aufsteigenden Ast zurückfinden.

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