Verhökert zum Schnäppchenpreis

LINKE kritisiert Grundstücksdeal des Hamburger Senats: Gefälligkeit für DAX-Konzern

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in den Hamburger Stadtteil Lokstedt zieht, will hier vor allem eines haben: seine Ruhe. Die gibt es in dem ehemaligen holsteinischen Dorf, das bis 1864 unter dänischer Herrschaft stand, reichlich. Aber auch die vielen Kleingartenflächen wecken Begehrlichkeiten. Stichwort: Wohnungsnot. Und auch als Gewerbefläche kommt das Grüngebiet in Frage. Kürzlich erwarb die Beiersdorf AG (Nivea, Tesa) mit Sitz im Bezirk Eimsbüttel eine Schrebergartenfläche von der Stadt Hamburg. Der Deal wurde noch unter dem ehemaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) eingefädelt. Eimsbüttel, einer der sieben Hamburger Bezirke, hat mit rund 263 000 Einwohnern etwa 20 000 Bürger mehr als Kiel. Auch Lokstedt mit seinen rund 25 000 Einwohnern gehört zum Bezirk Eimsbüttel.

Während die rot-grüne Mehrheit im Bezirk keinen Anstoß an dem Grundstücksverkauf nahm, wird der Deal von der Eimsbütteler Linksfraktion in der (allerdings machtlosen) Eimsbütteler Bezirksversammlung harsch kritisiert. Der Bürgermeister habe dem DAX-Konzern (Jahresumsatz 2018 rund 26 Milliarden Dollar) ein Areal zum »Schnäppchenpreis auf dem Silbertablett serviert« heißt es in der Zeitung »Emil« der Eimsbütteler LINKEN. Rund zwölf Hektar misst das Grundstück und ist damit etwa so groß wie 17 Fußballfelder. Den Kaufpreis von 34 Millionen Euro habe die Beiersdorf AG »aus der Portokasse bezahlt«, so die LINKE-Zeitung.

Unklar ist, was Beiersdorf mit dem Grundstück will, besitzt der Konzern doch im Eimsbütteler Kerngebiet seit mehr als 100 Jahren zwei große Areale, auf denen sowohl ein Teil der Produktion als auch der Verwaltung untergebracht ist. »Die Kleingartenflächen dienen Beiersdorf als langfristige Erweiterungsreserve«, erklärte eine Beiersdorf-Sprecherin auf Anfrage. »Der Ankauf verhindert, dass die Kleingartenflächen für andere Planungen genutzt werden können, die die derzeitige oder künftige Nutzung der aktuellen Beiersdorf-Betriebsflächen einschränken. Dies sichert die langfristige Zukunft des Unternehmens in Eimsbüttel, wo Beiersdorf seit über 125 Jahren seinen Unternehmenssitz hat.«

Es sei auch gar nicht geplant, die Kleingärtner in naher Zukunft von ihren Parzellen zu vertreiben: »Derzeit gehen wir davon aus, dass es weder kurz- noch mittelfristig zu einer Nutzung der Flächen kommt.« Es gebe einen Vertrag zwischen Beiersdorf und dem Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e. V., der »den betroffenen Kleingärtnern wichtige Sicherheiten bietet. Diese Sicherheiten beinhalten, dass die betroffenen Kleingärtner im Fall einer Verlagerung eine Entschädigung für die Laube und die Vereinshäuser erhalten«.

Also scheinbar alles in Ordnung und geregelt? Eben nicht, sagt Hartmut Obens, Chef der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel: »Der Senat der Hansestadt betreibt hier eine Gefälligkeitsplanung zugunsten eine DAX-Konzerns.« Denn das Unternehmen will auf einem seiner alten Gewerbegrundstücke im »Kerngebiet« Eimsbüttels 600 bis 800 Wohnungen errichten. Aus einer Gewerbe-Immobilie werde so durch Umwidmung ein Wohngrundstück in bester Lage, kritisiert Obens. Der Konzern könne so insgesamt zusammen mit dem Kauf der Kleingartenkolonie einen zusätzlichen »Buchgewinn« von 200 Millionen Euro einstreichen. »Sozusagen über Nacht«, wie Hartmut Obens anmerkt.

Darüber hinaus werde dem Bezirk langfristig eine weitere öffentliche Grünfläche entzogen. Es finde eine »Enteignung« statt, nur in umgekehrter Richtung, so der LINKE-Politiker. »Auf einen Schlag wird eine Grünfläche aus der öffentlichen Verfügung herausgenommen. Das ist auch eine Form der Enteignung.«

Die Bezirksleitung weist die Kritik zurück. »Das stimmt so nicht. Am Status der Fläche hat sich nichts geändert. Nach wie vor handelt es sich um eine privat genutzte Kleingartenfläche, die zum Teil öffentlich durchgängig ist«, erwidert ein Bezirkssprecher. »Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) hat sich hier klar positioniert und befürwortet das Vorhaben aufgrund der wirtschaftspolitischen Bedeutung des Unternehmens, der nachhaltigen Sicherung von über 3500 Arbeitsplätzen im Bezirk und der getroffenen Entschädigungsregelung für die Kleingärtner.«

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