Werbung

Textilabkommen könnte vor dem Aus stehen

Die Regierung Bangladeschs ist gegen eine Verlängerung und erhöht den Mindestlohn aus Sicht von Gewerkschaften unzureichend

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Brandschutz und Gebäudesicherheit sind die beiden Kernpunkte, die ein im Mai 2013 in Bangladesch geschlossenes Abkommen für die Textilbranche regelt. Der sogenannte Bangladesch-Accord ist der Regierung in Dhaka jedoch ein Dorn im Auge - sie hat den Obersten Gerichtshof angerufen, um zu prüfen, ob eine Verlängerung zu unterbinden sei. Für die Sicherheit der Arbeiter*innen in den über 1600 Exportfabriken wäre das eine schlechte Nachricht. Ihr Urteil haben die Richter für den 21. Januar angekündigt.

Allerdings hat der Oberste Gerichtshof seinen Beschluss schon mehrfach aufgeschoben. Dieser hätte auch internationale Tragweite. Ziel des nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikkomplexes implementierten Accords ist es, derartige Tragödien in Zukunft zu verhindern. Im Kontext des rechtsverbindlichen und von Gewerkschaften mit ausgehandelten Abkommens, dem rund 200 Modefirmen aus 20 Ländern beigetreten sind, wurden die Textilfabriken überprüft - es gab bauliche Veränderungen, besseren Brandschutz, aber auch Umbauten an der Elektrik. »Der Accord hat die Fabriken sicherer gemacht«, meint Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von Femnet und Textilexpertin der Kampagne für saubere Kleidung. »Und alle Informationen stehen en detail im Internet - es wird überaus transparent gearbeitet.«

Doch die Regierung des Landes will das Abkommen nicht verlängern, sondern eigene Institutionen aufbauen, um die Textilfabriken zu kontrol-lieren. Grundsätzlich keine abwegige Idee, aber bisher fehlen in Bangladesch sowohl die geeigneten Institutionen als auch die Fachleute, monieren Experten. Diese Einschätzung teilen Gewerkschafter aus dem Land selbst. Die Aktivistin Kalpona Akter vom Bangladesh Centre for Worker Solidarity (BCWS), mit dem die Kampagne für saubere Kleidung zusammenarbeitet, meint: »Wir brauchen den Accord, denn er hat enorme Veränderungen gebracht.«

Das belegen alle Quellen. Und auch bei den internationalen Auftraggebern für den Textilsektor des südasiatischen Landes, der rund 26 Milliarden Euro zu den Exporten beisteuert, fragt man sich, weshalb ein erfolgreiches System beendet werden soll. »Viele Unternehmen machen sich Sorgen. Schließlich haben sie auch eine Sorgfaltspflicht«, berichtet Gisela Burckhardt. Einige Firmen kritisieren die Initiative der Regierung offen, andere verlassen sich auf Reaktionen aus der Politik. Tatsächlich gab es bereits klare Stellungnahmen einzelner Regierungen, aber auch der EU: Sie alle appellieren an die Regierung in Dhaka, den Accord weiterlaufen zu lassen.

Auch das dürfte mit dazu beigetragen haben, dass sich die Richter mit ihrer Entscheidung Zeit lassen. Gegen den Antrag der Regierung hat die Kontrollinstitution des Bangladesch-Accords selbst geklagt. Die Entscheidungen haben nämlich große Relevanz für Millionen von Textilarbeiter*innen.

Das gilt aber auch für die Lohnfrage. Deshalb laufen derzeit massive Proteste rund um die Hauptstadt Dhaka und in den benachbarten Industriestädten, wo viele der Textilfabriken stehen. Die im Dezember in Kraft getretene Erhöhung des Mindestlohns war aus Sicht der Gewerkschaften deutlich zu niedrig ausgefallen - nach fünf Jahren ohne Lohnzuschläge und angesichts galoppierender Preise für Grundnahrungsmittel.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal