nd-aktuell.de / 19.01.2019 / Politik / Seite 18

Mehr als Rechthaberei

Der Kampf um die Tilgung des Kolonialismus aus dem Berliner Straßenbild ist zäh, aber richtig.

Velten Schäfer

Berlin hat ein latentes Straßennamenproblem - mit Männern, die für den deutschen Kolonialismus stehen. 2016 beschloss das zuständige Stadtteilparlament, dass im »Afrikanischen Viertel« des Wedding drei Namen ersetzt werden: Petersallee, Nachtigalplatz und Lüderitzstraße.

Im April 2018 empfahl der Kulturausschuss des Bezirks die neuen Namen: Die Petersallee soll teils Maji-Maji-Allee und teils Anna-Mungunda-Allee heißen, der Nachtigalplatz zum Bell-Platz werden und die Lüderitzstraße eine Cornelius-Frederiks-Straße - statt der Kolonialisten sollen also Opfer des Kolonialismus und Personen geehrt werden, die Widerstand leisteten. Ein bemerkenswerter Beschluss. Europaweit erstmals verschwänden gleich mehrere lokal zusammenhängende koloniale Straßennamen.

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Umgesetzt ist das noch nicht - und es gibt Widerstand. Gewerbetreibende kritisieren den Aufwand einer Umbenennung. Christian Kopp von »Decolonize Berlin« hält dagegen, dass dieser Protest ja auch Umstände mache. Ressentiments gegen afrikanische Namen kann man nur vermuten.

Es gibt gute Gründe, die Namen zu ändern. Adolf Lüderitz, mit dessen betrügerischem Landkauf der deutsche Kolonialismus in Namibia begann, und Gustav Nachtigal, an seinem Lebensende kurzzeitig »Reichskommissar« im heutigen Kamerun und Togo, stehen zwar nicht so direkt für grausame Verbrechen wie Carl Peters, der für sein Regime im damaligen »Deutsch-Ostafrika« schon seinerzeit als »Hänge-Peters« galt - aber doch für denselben Zusammenhang. Gerade bei Peters schlägt der Widerstand Haken: Die Straße wurde 1986 umgewidmet und soll nun an einen Berliner CDU-Politiker erinnern - für Kopp ein »Etikettenschwindel«, eine »Irreführung«. Der Bezirk sieht’s ähnlich.

Einschlägige Namen gibt es in Berlin noch einige. Zwei Straßen in Neukölln und Wilmersdorf heißen nach Hermann von Wissmann, dessen Truppen Aufständische brutal bekämpften. In Neukölln wird Adolph Woermann gehuldigt, einem Hauptlobbyisten des Kolonialismus. In Steglitz-Zehlendorf ehren der Maerckerweg und die Lans- wie die Iltisstraße deutsche Kolonialkrieger. In Kreuzberg hingegen hat die schwarze deutsche Aktivistin May Ayim längst den frühen preußischen Kolonialisten Otto Friedrich von der Groeben verdrängt.

Diese Umbenennungen sind keine Rechthaberei, sondern bewusster Umgang mit Geschichte. Bei der Stalinallee ist das ja auch selbstverständlich. Nicht vergleichbar? Das können so nur Weiße sagen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1110307.kolonialismusforschung-es-war-einmal-in-afrika.html