Pünktlichkeit, päckchenweise

Die Bahn kommt oder auch nicht oder später

  • Stefan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Natürlich hat es nur anekdotische Evidenz, wenn in der Woche zweier Krisenspitzentreffen zur Bahn die täglich genutzten Züge des Autors gleich zweimal, davon einmal über eine halbe Stunde, verspätet fahren, weil sich die »Bereitstellung des Zuges« verzögert - aber andere Erfahrungen hat selbiger Autor leider gerade nicht zur Hand.

Und dass es um die Bahn nicht zum Besten steht, beweisen ja nicht nur, aber eben auch jene Krisenspitzentreffen. Die übrigens Musterbeispiele dafür sind, warum mit den beteiligten politischen Protagonisten diese Bahn nicht mehr ins Rollen zu bringen ist. Da ist ein CSU-Verkehrsminister, der dem Bahnchef in markigen Worten Ultimaten setzt - wohl wissend, dass jede substanzielle Verbesserung bei der Deutschen Bahn keine Frage von Monaten, vielleicht nicht einmal Jahren, sondern eher von Jahrzehnten ist.

Eingependelt
Stephan Fischer pendelt. Die zurückgelegte Entfernung reicht pro Woche von Berlin bis fast auf die Lofoten und zurück, manchmal fühlt es sich an wie Paris – Rom – Erkner. Seine Erfahrungen beim Fahren: dasND.de/eingependelt

Die Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte hat eben auch unter Beteiligung der CSU ganze Arbeit geleistet - von der Substanz, von der die Bahn heute noch zehrt, ist bald alles aufgebraucht. Mitarbeiter wachsen nicht auf Bäumen, Strecken werden nicht über Nacht ertüchtigt und ausgebaut, neue Loks und Wagen gibt es nicht in der nächsten Kaufhalle.

Notgedrungen spielt Bahnchef Lutz dabei mit und liefert dabei ein rhetorisches Sahnestück ab: Die Bahn schnürt ein »Pünktlichkeitspaket«. Das ist schon einmal insofern geschickt, als dass sie damit nicht etwa Pünktlichkeit verspricht, sondern ein Paket aus bereits bekannten Maßnahmen - was sollte die Bahn denn ehrlicherweise auch anderes versprechen, Mitarbeiter wachsen eben nicht auf den Bäumen et cetera. Das Geschickte an der Metapher des zu schickenden Pakets ist hierbei, dass man als Bahn nun in nächster Zeit sehr gut kommunizieren kann, dass das Schnüren des Pakets zwar dauere, man aber auf einem guten Weg sei und überhaupt, als Absender sei man ja noch längst nicht dafür verantwortlich, wenn das Paket nicht beim Empfänger ankommt ...

Dass das Paket pünktlich ankommt, darf also ruhig bezweifelt werden. Für Berufspendler ist Ruhe sowieso empfehlenswert, ansonsten droht bei cholerischer Dauererregung frühes Ableben. Also den immerhin schon einmal bereitgestellten Morgenzug für die Vielfalt der auf seiner Außenhaut abgelagerten Sedimentschichten bestaunen, statt einfach nur über den Dreck zu lamentieren - zumal der Zug ja auch wenigstens allermeist pünktlich fährt. Für die Synästheten unter den Lesern: Der Zug sieht so dreckig aus, wie Raucherabteile in Großraumwagen früher rochen.

Und: Es könnte immer noch schlimmer kommen. Beziehungsweise gar nicht mehr, das aber überpünktlich: wenn sich die Bahnfachkraft Pofalla, aufstrebender Stern am Firmament überm Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin, flächendeckend durchsetzt mit seinem Vorschlag, unpünktliche Züge doch einfach wenden zu lassen. Warum Züge überhaupt fahren lassen? Null Fahrten gleich null Verspätung gleich hundert Prozent Pünktlichkeit! Das nähme dann aber schon Mehdorn’sche Ausmaße an.

Der ja nach der Zerschlagung der Bahn noch im Flugwesen aktiv war, was sich von den Ankündigungen her im Berlin-Brandenburger Raum ganz großartig entwickelt haben muss. Er hatte damals auch ein Paket in petto: »Mehdorns ›Sprint‹-Team prüft Blitz-Start des BER«, titelte einst die »Berliner Morgenpost«. Pünktlich kurz vor der Eröffnung. 2013.

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