Keine Ahnung vom Tennisspielen

Alexander Zverev scheitert bei den Australien Open im Achtelfinale, in der Weltrangliste klettert er trotzdem auf Platz drei

  • Cai-Simon Preuten, Melbourne
  • Lesedauer: 3 Min.

Die unbändige Wut war längst verraucht, als Alexander Zverev versuchte, seine nächste Grand-Slam-Enttäuschung in Worte zu fassen. Er hatte sich ja schon auf dem Platz abreagiert, seinen Schläger neunmal (!) auf den Boden gedonnert und damit fachmännisch zerlegt. Übriggeblieben war die pure Enttäuschung über eine Leistung, die so gar nicht den Ansprüchen des Hamburgers genügte und die weit davon entfernt war, eines Achtelfinals der Australian Open würdig zu sein.

24 Stunden nach Angelique Kerber erlebte auch der allseits hochgelobter Jungstar Zverev ein Debakel. »Angie hat es gesagt: Es gibt solche Tage, an denen nichts geht«, meinte Zverev nach dem 1:6, 1:6, 6:7 (5:7) gegen den Kanadier Milos Raonic. In den ersten zwei Sätzen habe er »keine Ahnung gehabt, wie man einen Tennisball überhaupt ins Feld spielt«, sagte der 21-Jährige.

Die Folge war ein denkwürdiger Wutausbruch im zweiten Durchgang, der sofort durch die Sozialen Netzwerke flimmerte und auch in keinem sportlichen Jahresrückblick fehlen wird. Zverevs Trainer Ivan Lendl nippte derweil seelenruhig an seiner Wasserflasche, ein Ballkind brachte sich schnell in Sicherheit - und Zverev ärgerte sich später, dass er nicht früher ausgerastet war. »Ich hätte das vielleicht schon nach dem ersten Satz machen sollen. Irgendwann muss man alles rauslassen«, sagte er. Immerhin zeigte der Tobsuchtsanfall Wirkung, den dritten Durchgang gestaltete er ausgeglichener. Illusionen machte sich Zverev aber nicht. »Dass ich überhaupt den Tiebreak erreicht habe, war ein Riesenwunder«, sagte er.

Zehn Doppelfehler, eine unterirdische Quote beim zweiten Aufschlag und selten gesehene Schwächen von der Grundlinie waren ein Teil der Wahrheit über die Niederlage. Ein anderer war der konzentrierte Auftritt des früheren Wimbledonfinalisten Raonic. Der 28-Jährige, einst Top-Ten-Spieler, der sich nach vielen Verletzungen erst langsam wieder seiner Bestform nähert, setzte nicht nur all seine Hoffnung in den starken Aufschlag. War Kerber von der US-Amerikanerin Danielle Collins am Sonntag noch überrollt worden, wurde Zverev einen Tag später mitunter ausgespielt.

Raonics Rückhandslice holte Zverev immer wieder ins Feld und damit aus der Komfortzone. So hatte ihn bereits Philipp Kohlschreiber in der dritten Runde der US Open in vergangenen Herbst überrascht. Zverevs bestes Grand-Slam-Resultat bleibt damit das Viertelfinale der French Open 2018. Dass er am kommenden Montag auf Platz drei der Weltrangliste klettert und damit erstmals vor seinem ebenfalls im Achtelfinale ausgeschiedenen Kindheitsidol Roger Federer geführt wird, ist kein Trostpflaster für den mehr als holprigen Saisonstart.

Den führte Zverev in seiner Enttäuschung nach seinem Aus auch auf das triumphale Ende der vergangenen Saison mit dem Titelgewinn in London zurück. »Ich hatte keine lange Vorbereitung, keine lange Pause«, sagte er. Aber so sei das Leben als Tennisprofi nun einmal. Nach seiner Rückkehr aus Australien und vor der Davis-Cup-Partie in Frankfurt am Main Anfang Februar gegen Ungarn hat er jetzt nun etwas Zeit, die Speicher aufzuladen. »Ich bleibe für zwei Tage im Bett liegen«, kündigte Zverev bereits an. SID/nd

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