• Politik
  • Repression in der Türkei

Abgeordnete seit mehr als 70 Tagen im Hungerstreik

Leyla Güven von der HDP wurde im Juni 2018 ins türkische Parlament gewählt - doch sie sitzt im Gefängnis

  • Svenja Huck
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit mehr als 70 Tagen befindet sich Leyla Güven, eine der kurdischen Abgeordneten der Linkspartei HDP (Demokratische Partei der Völker), in der Türkei im Hungerstreik. Güven ist bei den Parlamentswahlen am 28. Juni 2018 als Abgeordnete für die südöstliche Provinz Hakkâri gewählt worden. Ihr Mandat konnte sie jedoch bis heute nicht wahrnehmen, da sie bereits im Januar 2018 inhaftiert wurde. Anlass dafür war ihre öffentliche Kritik an dem Angriffskrieg der türkischen Armee auf das nordsyrische Afrin. Mehrere Anklagen wegen »Propaganda für eine Terrororganisation« sowie »Gründung und Anleitung einer bewaffneten Organisation« könnten zu insgesamt 31 Jahren Haft für Güven führen.

Doch der Protest in Form des Hungerstreiks richtet sich nicht gegen ihre eigenen Haftbedingungen. Güven fordert vielmehr ein Ende der seit 20 Jahren andauernden Isolationshaft des Gründers der Arbeiterpartei Kurdistans, Abdullah Öcalan. Er sei Vorkämpfer für gesellschaftlichen Frieden, hieß es in der Grußbotschaft von Güven, die am Wochenende auf einer Kundgebung der HDP in Diyarbakır verlesen wurde. Ihre Forderung repräsentiere den Willen des kurdischen Volkes und bis zu deren Erfüllung werde sie ihren Protest nicht beenden, ließ Güven ausrichten.

International bekomme der Protest von Güven bisher zu wenig Aufmerksamkeit, findet Rezan Aksoy, Co-Sprecher des Demokratischen Kongresses der Völker Berlin (HDK). »Dass eine Abgeordnete im Gefängnis in den Hungerstreik tritt, ist ein Ausdruck dafür, dass alle anderen demokratischen Wege versperrt sind«, meint er. »Ihr Protest richtet sich deshalb nicht in erster Linie an die AKP-Regierung, die kein Interesse mehr am Friedensprozess hat, sondern an die demokratische Zivilgesellschaft, auch in Europa, sich für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Öcalan einzusetzen.« An einer Solidaritätskundgebung, die vom HDK am Montag in Berlin organisiert wurde, nahmen etwa 150 Menschen teil.

Aufmerksamkeit für Güvens Forderungen schafft auch ihre Tochter Sabiha Temizkan. Ihr Slogan lautet: »Meine Mutter gehört ins Parlament, nicht ins Gefängnis!« Trotz des inzwischen kritischen Zustandes ihrer Mutter waren Besuche möglich. Am Montag jedoch reichten Güvens Kräfte nicht mehr, um ihre Tochter zu sehen. Temizkan kritisiert, dass sich außer der HDP niemand für das Anliegen ihrer Mutter interessiere. Vor allem das Schweigen der größten Oppositionspartei, der kemalistischen CHP (Republikanische Volkspartei), ärgere sie.

Einige Monate vor den für Ende März geplanten Kommunalwahlen in der Türkei nimmt der Druck auf die HDP und die kurdische Bewegung erneut zu. Politiker, die wegen ähnlicher Vorwürfe wie Güven angeklagt sind, stehen nun vor Gericht und werden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Obwohl die HDP eine legale Partei ist, werden viele ihrer Mitglieder behandelt wie Terroristen. Die AKP versucht so, die einzige Partei, die ihr in den kurdischen Gebieten der Türkei Konkurrenz machen könnte, einzuschüchtern.

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