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  • Sächsisches Polizeigesetz

Autoritärer Kompromiss

Sächsische CDU und SPD einigen sich auf Polizeigesetz - trotz starker Kritik an Einschränkung von Bürgerrechten

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Regierungskoalition aus CDU und SPD in Sachsen hat einen Kompromiss zum neuen Polizeigesetz verkündet. Das Gesetz soll im März vom Landtag verabschiedet werden, wie am Dienstag nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses beschlossen wurde. Wesentliche Differenzen bezüglich der Ausarbeitung des Gesetzes bleiben jedoch noch bestehen - sowohl zwischen SPD und CDU als auch innerhalb der Sozialdemokraten.

Abstriche bei ihren Forderungen mussten vorerst beide Parteien machen. Bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Kontrolle verschlüsselter Nachrichten und bei der Online-Durchsuchung von Computern Verdächtiger konnte sich die CDU nicht vollends durchsetzen. Die Bodycams für Polizisten sollen im Stadium eines Modellversuches bleiben. Die SPD wiederum scheiterte beim Polizeigesetz mit ihrer Forderung, eine Kennzeichnungspflicht für Beamte einzuführen. Kritiker bemängeln insgesamt eine starke Verschärfung der Sicherheitsgesetze und befürchten Eingriffe in Bürgerrechte.

Der Generalsekretär der SPD, Henning Homann, sprach dennoch von einem guten Kompromiss. Laut dem Generalsekretär der CDU, Alexander Dierks, bringt das Regelwerk eine ganze Reihe Verbesserungen im Vergleich zur alten Rechtslage. Als Beispiel nannte er unter anderem die bessere Bewaffnung der Polizei und eine verbesserte Videofahndung im Grenzgebiet.

Innerhalb der SPD gab es starke Kritik an dem bisherigen Kompromiss. »Diese Einigung ist eine Enttäuschung«, sagte Stefan Engel, Landesvorsitzender der sächsischen Jusos, am Mittwoch. Zwar habe die SPD noch weitergehende Überwachungsfantasien wie die Online-Durchsuchung oder die Quellen-Telekommunikationsüberwachung verhindern können. Das ändere aber nichts daran, dass dieses Gesetz die »Grenze des Zumutbaren« überschreite. »Bürgerrechte werden deutlich eingeschränkt und ein unklarer Gefahrenbegriff sorgt für einigen Interpretationsspielraum«, so Engel. Vertrauensbildende Maßnahmen wie eine Kennzeichnungspflicht oder eine wirklich unabhängige Beschwerdestelle seien schon lange überfällig. »Die Borniertheit der CDU in diesen Fragen ist wirklich erschreckend.«

Einwände äußerte auch die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD. »Wir halten unsere Kritik an dem Gesetzesentwurf aufrecht und fordern unsere sozialdemokratischen Abgeordneten auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen«, sagte die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Arbeitnehmer in Sachsen, Irena Rudolph-Kokot, am Donnerstag. Das Gesetz weite einseitig die Befugnisse der Polizei aus, ohne auf der anderen Seite, die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und einer unabhängigen Beschwerdestelle aufzugreifen. »Aus unsrer Sicht sind die jetzt schon vorhandenen Möglichkeiten der Polizei ausreichend, wenn man diese denn anwendet«, sagte Rudolph-Kokot. Der nun verabredete Kompromiss sei jedoch alles andere als bürgerfreundlich.

Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD kritisiert vor allem, dass nicht nur von der Polizei als gefährlich eingestufte Personen künftig überwacht werden können, sondern auch deren sogenannte Kontakt- und Begleitpersonen. Von diesen Dritten dürfe künftig auch die Wohnung überwacht werden. Weiterhin sei kritisch, dass die geplanten Überwachungsmaßnahmen in einer Zone bis zu 30 Kilometer von der Staatsgrenze entfernt eingesetzt werden sollen. »Das bedeutet in unserem Bundesland, dass einfach mal die Hälfte der Fläche betroffen wäre«, so Rudolph-Kokot.

Die sächsische Sektion des Deutschen Journalistenverbands (DJV) bemängelte Gefahren für Medienschaffende. Der Berufsverband sehe in dem Polizeigesetz »eine Einschränkung des journalistischen Zeugnisverweigerungsrechtes«, heißt es in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme. Der DJV gehe davon aus, dass die geplante Sammlung von personenbezogenen Daten unzulässig sei, wenn es Anhaltspunkte gebe, dass in ein durch Berufsgeheimnisse geschütztes Vertrauensverhältnis eingegriffen wird.

In der Zivilgesellschaft ist der Unmut über das geplante Polizeigesetz ebenso groß. Das Bündnis »PolizeigesetzStoppen« ruft für Samstag zu einer Demonstration in Dresden auf. 13 Uhr soll sich am Wiener Platz versammelt werden, danach will man unter dem Motto »Grundrechte verteidigen« durch die Innenstadt laufen. Laut den Veranstaltern haben sich über 40 Organisationen dem Bündnis angeschlossen. Züge werden aus Görlitz, Leipzig und Chemnitz erwartet.

»Die Verschärfungen der Polizeigesetze in verschiedenen Bundesländern sind Ausdruck eines immer autoritärer auftretenden Staates, der vor allem Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund und politisch Aktive kriminalisiert«, heißt es in dem Aufruf des Demobündnisses. Alle Bürger seien potenziell von den Maßnahmen betroffen und stünden unter Generalverdacht. Mit Agenturen

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