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Bernie Sanders zu Venezuela:»Regime Change sollte nicht unser Geschäft sein«

Viele Demokraten in den USA äußern sich nicht zu Venezuela, einige Parteilinke dagegen schon - und fordern Nichteinmischung oder Verhandlungen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn es um US-Sanktionen gegen die Bolivarianische Regierung in Venezuela ging, gab es im sonst oft gespaltenen US-Kongress seit 1998 viel parteiübergreifende Zusammenarbeit zwischen Republikanern und Demokraten. Auch jetzt sind viele Demokraten entweder sprachlos oder unterstützen die Position Donald Trumps den selbst ernannten neuen Präsidenten Venezuelas Juan Guaidó anzuerkennen – doch einige Parteilinke wie Bernie Sanders widersprechen. Die USA müssten den Rechtsstaat, freie Wahlen und die Selbstbestimmung des venezolanischen Volkes unterstützen, aber auch den Einsatz von »Gewalt gegen unbewaffnete Protestler und die Unterdrückung abweichender Meinungen« verurteilen und die »Lehren aus der Vergangenheit ziehen«, so der demokratische Sozialist auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Der Senator aus Vermont vom linken Flügel der Partei hatte im Präsidentschaftswahlkampf 2016 vor allem mit sozialer Ungleichheit Wahlkampf gemacht.

Doch in den vergangenen Monaten hat Sanders sich zunehmend außenpolitischen Themen gewidmet. Er hat etwa im US-Senat eine Resolution zum Jemenkrieg erreicht. Die weist Trump an jegliche US-Unterstützung für den Krieg der saudi-arabischen Militärallianz im Jemen einzustellen. Wegen der »langen Geschichte von Interventionen in lateinamerikanischen Ländern« sollten die USA nicht im »Regime-Change-Geschäft mitmischen oder Staatsstreiche unterstützen«, so Sanders weiter zu den Ereignissen in Venezuela. Dort war der monate- und jahrelange Machtkampf zwischen Opposition und Regierung am Montag mit einem Putschversuch von Nationalgardisten, Massendemonstrationen und der Erklärung von Parlamentspräsident Juan Guaidó, der sich auf einer Demonstration zum Interimspräsidenten erklärt hatte, eskaliert.

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Ähnlich wie Sanders äußerte sich auch Tulsi Gabbard. Die Kongressabgeordnete aus Hawaii mit einer kontroversen Vergangenheit, will Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden. »Die Vereinigten Staaten müssen sich aus Venezuela raus halten. Lassen wir die Venezolaner selbst ihre Zukunft entscheiden«, schrieb Gabbard auf Twitter. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten ersten Wahlkampfvideo setzt die Ex-Soldatin vor der Kulisse von Soldatenfriedhöfen eine neue Friedenspolitik als einen Schwerpunkt ihrer Kampagne und spricht sich – wie schon in der Vergangenheit – gegen interventionistische Kriege aus. Gabbard verspricht stattdessen Liebe und Aloha.

In einer offenbar ironischen Anspielung auf die Diskussion um russische Einflussnahme zur Präsidentschaftswahl 2016 erklärte sie, man wolle ja auch nicht, dass »andere Länder bei der Wahl unserer Anführer mitentscheiden, also sollten wir das auch nicht bei anderen tun«. Andere Präsidentschaftskandidaten der Demokraten schweigen hingegen bisher zum Thema Venezuela, auch aus dem US-Kongress kam fast keine Reaktion auf Trumps Anerkennung von Guaidó.

»Wir sollten Menschenrechte nicht nur dann unterstützen, wenn es gerade politisch opportun ist«, schrieb die Kongressabgeordnete Ilhan Omar auf Twitter. Sie ist einer der ersten muslimischen Abgeordneten im US-Kongress und ebenfalls Teil der Parteilinken. »Die USA sollten in einem internen, polarisierten Konflikt nicht den Führer der Opposition ‚salben‘ «, erklärte der Kongressabgeordnete Ro Khanna. Der Parteilinke aus Kalifornien wandte sich zugleich gegen den demokratischen Senator Dick Durbin. Der hatte im vergangenen Jahr Juan Guaido getroffen und erklärte seine Unterstützung für den selbst erklärten neuen Präsidenten. Außerdem bot er Unterstützung für einen »friedlichen Übergang im Zuge einer neuen legitimen Wahl« an.

Stattdessen sollten die Versuche von Uruguay, Mexiko und dem Vatikan, eine Verhandlungslösung im Konflikt zwischen Opposition und Regierung zu erreichen, unterstützt und die US-Sanktionen, die die Hyperinflation verschlimmern würden, beendet werden, so Khanna weiter. Der Abgeordnete ist einer der profilierteren Außenpolitiker der Parteilinken, die sich sonst meist auf Innen- und Sozialpolitik konzentriert und arbeitet daran eine linke Außenpolitik zu entwickeln.

Eine Verhandlungslösung fordern auch die 70 zum Teil prominenten Unterzeichner eines offenen Briefes, darunter der Linguistik-Professor Noam Chomsky. Beide Seiten könnten in Venezuela die Gegenseite nicht bezwingen, deswegen müsste nun ein Kompromiss gefunden werden, wie bereits in anderen Fällen geschehen, in denen »politisch polarisierte Gesellschaften ihre Differenzen nicht mehr durch Wahlen lösen konnten«.

Die US-Sanktionen gegen Venezuela seien »eindeutig illegal und zwar sowohl nach nationalem als auch nach internationalem Recht«, erklärten die Democratic Socialists of America (DSA). Laut Nationalkommittee der rasch wachsenden Partei mit 55.000 Mitgliedern ist ein »von den USA geführter Putsch inakzeptabel«. Zur Lage in dem südamerikanischen Land äußern sich die demokratischen Sozialisten weniger deutlich: Die »ökonomische, politische und kulturelle Krise« im Land sei »komplex«.

Unterdessen haben mehrere demokratische Kongressabgeordnete aus Süd-Florida neue Gesetzesinitiativen zum Thema Venezuela vorgestellt. Sie vertreten historisch stark von antikommunistischen Exilkubanern dominierte Wahlkreisen in Miami, in denen nun immer mehr lateinamerikanische Migranten leben, die in den letzten Jahren in die USA gekommen sind, darunter auch Venezolaner. So sollen in Zukunft die US-Regierung oder NGOs humanitäre Hilfe direkt an die Bevölkerung in Venezuela liefern und der Export von Tränengas und Waffen nach Venezuela verboten werden. Außerdem wird das US-Außenministerium beauftragt den Einfluss Russlands in Venezuela untersuchen.

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