Neue Verletzte durch Gummigeschosse bei Protest gegen Polizeigewalt

Rund 60.000 »Gelbwesten« demonstrieren erneut gegen Präsident Macron

  • Sami Acef und Emmanuel Duparcq, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Paris. An ihrem zwölften Protestwochenende haben die »Gelbwesten« in Frankreich wieder zehntausende Demonstranten mobilisiert. Das Innenministerium bezifferte die Zahl der Teilnehmer am Samstag landesweit auf rund 58.600, das waren etwa 10.000 weniger als in der Vorwoche. In mehreren Städten - vor allem in Paris und Bordeaux - gab es Zusammenstöße mit der Polizei. Dutzende Menschen wurden festgenommen. Mit ihren Kundgebungen demonstrierten die »Gelbwesten« dieses Mal vor allem gegen »Polizeigewalt«.

Bei der Ankunft des Demonstrationszugs auf dem Place de la République in Paris gerieten einige Demonstranten gewaltsam mit der Polizei aneinander. Die Beamten setzten Tränengas ein, wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. 30 Menschen wurden nach Polizeiangaben festgenommen. Auch in Bordeaux kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. Hier wurden 17 Menschen festgenommen.

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In beiden Städten setzten die Sicherheitskräfte wieder Gummigeschosse ein, gegen deren Gebrauch die »Gelbwesten« heftig protestieren. Sie argumentieren, die Geschosse können schwere Verletzungen verursachen. Auf Spruchbändern forderten die Teilnehmer, den Einsatz von Gummigeschossen und Schockgranaten durch die Polizei bei Zusammenstößen am Rande der »Gelbwesten«-Proteste zu verbieten.

Der vergangene Woche während einer Demonstration schwer am Auge verletzte »Gelbwesten«-Anführer Jérôme Rodrigues wurde in Paris mit Applaus begrüßt, als er zu der Kundgebung erschien. Um ihre Solidarität mit Rodrigues und den mehr als 1900 Verletzten seit Beginn der Proteste im November zu verdeutlichen, hatten sich mehrere Teilnehmer einen Verband um ein Auge gelegt.

Die Polizeigewalt sei »inakzeptabel«, sagte Antonio, der an der Organisation des Protestmarschs beteiligt war und selbst durch eine Blendgranate verletzt worden war. »Das sind Verletzungen, die verstümmeln, die Leben zerstören, obwohl wir Pazifisten sind«, versicherte er.

Am Rande der Kundgebung in Paris wurde am Samstag ein Demonstrant durch ein Gummigeschoss im Gesicht verletzt, berichtete die AFP-Reporterin. Die Feuerwehr brachte ihn fort. Der Chef der Schülergewerkschaft UNL, Louis Boyard, teilte mit, er sei von einem solchen Geschoss am Fuß verletzt worden. »Der Fuß scheint gebrochen zu sein«, twitterte er.

Frankreichs Innenminister Christophe Castaner hatte am Freitag den Einsatz der Gummigeschosse gegen »Randalierer« erneut verteidigt. Zugleich kündigte er an, »Missbräuche« zu ahnden. Seinen Angaben zufolge wurden die Geschosse seit Beginn der Demonstrationswelle rund 9200 Mal eingesetzt.

In der Hauptstadt Paris beteiligten sich nach Zählung eines Marktforschungsinstituts am Samstag 13.800 Menschen an dem »großen Marsch für die Verletzten«, der den Opfern von Polizeigewalt gewidmet war. Die Polizeipräfektur sprach von 10.500 Teilnehmern.

Die offizielle Hauptkundgebung am zwölften landesweiten Protesttag fand in Valence südlich von Lyon statt. Dort gingen nach Polizeiangaben 5.400 Menschen auf die Straße, es gab 18 Festnahmen. In der Innenstadt galten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen. Fast alle Geschäfte hatten geschlossen. Manche Besitzer hatten ihre Läden mit Holzbrettern verbarrikadiert.

In Morlaix in der Bretagne wurden vier Menschen festgenommen, als Demonstranten eine Polizeiabsperrung stürmen wollten. Ein Polizist wurde dabei verletzt. Im westfranzösischen Nantes wurden zwei Polizisten durch Wurfgeschosse von Demonstranten verletzt. Auch in Bordeaux gab es gewaltsame Zwischenfälle.

Schon gelesen? Erklärung der Assemblée des Assemblées. »nd« dokumentiert den ersten Aufruf einer ersten frankreichweiten Versammlung der Gelbwesten vom 27. Januar in Commercy.

Die »Gelbwesten« fordern den Rücktritt von Präsident Macron und eine Stärkung der Kaufkraft der Franzosen. Milliardenzusagen der Regierung für steuerliche und soziale Entlastungen konnten die »Gelbwesten« bislang nicht besänftigen. dpa/nd

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