nd-aktuell.de / 14.02.2019 / Kommentare / Seite 10

Seehofers Gastgeschenk

Das Verbot zweier kurdischer Verlage kommt nicht zufällig vor der Münchener Sicherheitskonferenz, meint Nick Brauns

Nikolaus Brauns

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Dienstag einen kurdischen Verlag und die angeschlossene Musikproduktions- und Vertriebsfirma verboten. Vorangegangen waren bereits vor einem Jahr Razzien bei den beiden Kulturunternehmen, bei denen die Polizei acht Lastwagenladungen an Büchern und Tonträgern, ein komplettes Tonstudio sowie eines der weltweit größten Archive für kurdische Musik abtransportiert hatte. Der Mezopotamien-Verlag sowie die MIR Multimedia GmbH dienten »der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der PKK«, begründete das Ministerium die Verbote mit dem Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans. Das in dieser Form innerhalb der EU nur in Deutschland bestehende PKK-Verbot wurde im November 1993 mit der Begründung erlassen, »die politische Agitation der PKK und ihr nahestehender Organisationen« habe ein gegenüber der Türkei »außenpolitisch nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht«. Dass die türkische Armee damals mit Panzern aus deutscher Lieferung Tausende kurdische Dörfer zerstörte, blieb unberücksichtigt.

Seit über 25 Jahren schränkt das PKK-Verbot die Rechte Hunderttausender in Deutschland lebender Kurden auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ein. Die jüngsten Verbote zielen darüber hinaus direkt auf die kurdische Identität, Sprache und Kultur. So vertrieb der Mezopotamien-Verlag neben politischen Schriften und Geschichtsbüchern auch kurdischsprachige Kinderbücher und Klassiker der Weltliteratur sowie Sprachbücher zum Erlernen der in der Türkei weiterhin verfemten kurdischen Sprache. Seehofers Argumentation gleicht derjenigen des türkischen Autokraten Erdogan. Auch dieser beteuert stets, nicht gegen die Kurden, sondern nur gegen »den Terrorismus« zu kämpfen. Doch im Namen der Terrorbekämpfung werden kurdische Sprachschulen und Kulturinstitute in der Türkei geschlossen.

Der Schlag gegen die beiden Verlage sind die ersten Verbote vermeintlich PKK-naher Organisation seit der Schließung des Wuppertaler Sendestudios des kurdischen Satellitenfernsehsenders Roj TV im Jahr 2008 und dem Verbot der Tageszeitung »Özgür Politika« 2005. Dass sich die kurdischen Medien im besonderen Fadenkreuz befinden, darf nicht verwundern. Während die Bundesregierung auf der einen Seite grünes Licht für Rüstungslieferungen an die Türkei gibt, behindert sie so auf der anderen Seite eine freie Berichterstattung über Ankaras Krieg gegen die Kurden. Mit Bücherbeschlagnahmungen soll zudem erschwert werden, dass Bürger sich ein von der vorherrschenden Dämonisierung abweichendes Bild von der PKK bilden können oder gar aktiv mit dem kurdischen Freiheitskampf solidarisieren.

Verlegt wurden im Mezopotamien-Verlag auch die Schriften des seit zwanzig Jahren in Isolationshaft sitzenden Vordenkers der kurdischen Befreiungsbewegung Abdullah Öcalan. In seinen geschichtsphilosophischen Werken nimmt Öcalan Abstand vom Traum eines unabhängigen Kurdistan und entwirft stattdessen das Modell eines nicht-nationalstaatlichen Zusammenschlusses von basisdemokratischen Kommunen. In dem als Rojava bekannten Selbstverwaltungsgebiet in Nordsyrien wurde Öcalans Vision in den vergangenen Jahren teilweise zur Realität. Entsprechend feierten kurdische Kämpferinnen vor einem großflächigen Bild Öcalans die Befreiung der ehemaligen Hauptstadt des »Islamischen Staates« Raqqa. In Deutschland dagegen wurden in den letzten Tagen in mehreren Städten kurdische Jugendliche von der Polizei verprügelt und festgenommen, weil sie auf Demonstrationen gegen Öcalans Isolationshaft T-Shirts oder Fahnen mit dem hier verbotenen Bild des kurdischen Politikers gezeigt hatten.

Der Zeitpunkt der Verlagsverbote durch Seehofer ist kein Zufall. Am Freitag beginnt in München die Sicherheitskonferenz. Unter den Teilnehmern wird auch der türkische Kriegsminister General Hulusi Akar sein, der das Forum nutzen wird, um für einen türkischen Einmarsch nach Rojava sowie mehr Unterstützung der NATO-Partner bei der Bekämpfung der PKK zu werben. In der Türkei gehört es zum guten Ton der Gastfreundschaft, dass auch der Gastgeber dem Gast ein Geschenk übergibt. Diesem Gebot orientalischer Höflichkeit hat Seehofer Genüge getan, sodass die Tür für weitere lukrative Geschäfte mit Ankara offen steht.